Reduzierung und Auslöschung

Diese zwei Ausdrücke sind sehr umgangssprachlicher Art. Es wurde zwar ernstlich versucht, sie aus dem Verkehr zu ziehen und durch wohlklingendere und kompliziertere zu ersetzen; doch bis jetzt ohne Erfolg. Auditoren ziehen saloppe Ausdrücke vor, wie »AV« für Abtreibungsversuch, »verkorkst« für jemanden mit schwer aberrierenden Engrammen, »Aberrierter« für Leute, die nicht Release oder Clear sind, »Zombie« für einen mit Elektroschock oder neurochirur­gisch behandelten Patienten usw. Man muss befürchten, dass sie zur Respektlosigkeit gegenüber den geweihten und heiligen Wälzern der Vergangenheit sowie gegenüber der Würde früherer Autoritäten nei­gen, die vieles mit einem Etikettchen versahen, aber wenig taten. Wie dem auch sei, die Ausdrücke »Reduzieren« und »Auslöschen« sind so allgemein in Ge­brauch, dass es kaum nötig ist, etwas daran zu ändern.

Reduzieren bedeutet, alle Ladung oder allen Schmerz aus einem Geschehnis zu entfernen. Es bedeutet, den Preclear das Geschehnis von Anfang bis Ende wiedererzählen zu lassen (in Reverie, nachdem er zu ihm zurückgekehrt ist) – immer wieder durch das Geschehnis hindurchgehend, wobei alle vorhandenen Somatiken und Wahrneh­mungen genau so aufgenommen werden, als fände das Geschehnis gerade statt. Reduzieren bedeutet technisch, aberrierendes Material soweit wie möglich abzuräumen, damit der Fall voranschreitet.

Ein Engramm »auslöschen« bedeutet, es wiedererzählen zu las­sen, bis es vollständig verschwunden ist. Zwischen einer »Reduzie­rung« und einer »Auslöschung« gibt es einen eindeutigen Unterschied. Der Unterschied hängt mehr davon ab, was sich mit dem Engramm machen lässt, als davon, was der Auditor gerne möchte. Wenn es sich um ein frühes Engramm handelt und es kein noch früheres Material dazu gibt, das es festhält, wird dieses Engramm »verlöschen«. Der Patient will es fürs zweite oder sechste Wiederer­zählen erneut aufsuchen und bemerkt plötzlich, dass er nicht mehr die leiseste Ahnung hat, was der Inhalt des Engramms war. Er könn­te den Auditor fragen, der ihm natürlich nichts sagen darf. (Der Auditor, der nachhilft, verzögert die Therapie, indem er sich zum Gedächtnis des Patienten macht.) Nach dem Durchlaufen des En­gramms wird der Patient recht belustigt sein, wenn er es auf einmal nicht mehr finden kann. Es könnte ihn auch verblüffen, denn hier gab es etwas, das beim ersten Kontakt ein schmerzhaftes Somatik und einen stark aberrierenden Inhalt hatte, die plötzlich nicht mehr da zu sein scheinen. Das ist eine »Auslöschung«. Technisch gesehen ist das Engramm nicht ausgelöscht. Wenn der Auditor einige Zeit darauf verwenden will, natürlich nur zu Forschungszwecken, wird er dieses Engramm nun in den Standardbanken wiederfinden. Es ist dort mit dem Etikett versehen »früher aberrierend; ziemlich belusti­gend; Information, die eventuell analytisch nützlich sein kann«. Eine solche Suche gehört aber nicht zur Therapie. Wenn das Geschehnis ein Somatik einschloss, einige Male wiedererzählt wurde und dann verschwand, nachdem der letzte Rest des Inhalts gefunden wurde, ist es ausgelöscht, soweit es die Engrammbank anbelangt. Es wird nicht mehr in die motorischen Schaltkreise »eingelötet« sein, es wird nicht mehr dramatisiert, es blockiert keine Dynamik mehr und ist jetzt nicht mehr ein Engramm, sondern eine Erinnerung.

Die »Reduzierung« hat einige interessante Aspekte. Nehmen wir einmal ein Kindheitsgeschehnis (sagen wir aus dem Alter von vier Jahren), einen Unfall – das Kind verbrühte sich. Das Erlebnis wird berührt, aber es gibt viele frühere Daten, solche aus der Grund­zone. Es liegt also viel früheres Material vor, das das Engramm an Ort und Stelle festhält. Jedoch enthält dieses Geschehnis emotionelle Ladung, die die Therapie verlangsamt. Der Archivar händigt das Geschehnis der Verbrühung aus. Es wird nicht auzulöschen sein, aber es wird sich reduzieren lassen. Für diese Arbeit braucht man länger als für eine Auslöschung. Bei dieser Arbeit können verschie­dene Aspekte auftauchen.

Es wird Kontakt mit dem Somatik aufgenommen. Der Auditor versucht, mit dem Geschehnis so nah wie möglich am Anfang zu beginnen. Dann wird das Geschehnis wiedererzählt. Die Verbrühung hat – sagen wir – Apathie (Tonstufe 0,5) als emotionelle Stufe. Der Preclear schleppt sich apathisch durch das Geschehnis. Er ist dabei ziemlich stark exteriorisiert und sieht sich selbst, wie er verbrüht wird. Dann erfolgt vielleicht plötzlich – aber nicht unbedingt – eine emotionelle Entladung. Der Preclear kehrt an den Anfang zurück und erzählt (durchlebt) die ganze Sache noch einmal. Und noch ein­mal. Und noch einmal. Bald beginnt er, auf die am Geschehnis betei­ligten Leute wütend zu werden, weil sie so unvorsichtig oder so herz­los sind. Er ist bis zu Wut (Tonstufe 1,5) hochgekommen. Der Auditor schickt den Preclear geduldig ein weiteres Mal durch das Gescheh­nis, obwohl der Patient jetzt gern erzählen würde, wie boshaft seine Eltern sind oder dass Gesetze gegen das Verbrühen von Kindern ge­schaffen werden sollten. Jetzt hört der Preclear auf, wütend zu sein, und äussert, dass ihn der Stoff langweilt. Er ist auf der Tonskala zu Langeweile (Tonstufe 2,5) aufgestiegen. Er beklagt sich beim Audi­tor vielleicht über »diese Zeitverschwendung«. Der Auditor schickt ihn erneut durch das Geschehnis. Nun mögen sich neue Daten zei­gen. Das Somatik kann jetzt noch vorhanden sein oder auch nicht, der emotionelle Ton ist aber immer noch tief. Der Auditor schickt den Preclear wiederum durch das Geschehnis, und der Preclear wird viel­leicht sarkastisch werden oder witzeln. Das Geschehnis wird noch einmal wiedererzählt. Plötzlich amüsiert sich der Preclear darüber (jedoch nicht immer). Wenn das Geschehnis eindeutig eine hohe Tonstufe erreicht hat, kann es verlassen werden. Es wird vermutlich nach ein paar Tagen absinken, jedoch hat das keine grössere Bedeu­tung, da dieses Geschehnis auf dem Weg zurück vom Basik-Basik vollständig ausgelöscht werden wird. Auf jeden Fall wird es nie wie­der so aberrierend sein wie vor der Reduzierung.

Eine Reduzierung wird manchmal zur Folge haben, dass das ganze Engramm scheinbar verschwindet. Man kann dies jedoch leicht als blosses Zurückweichen erkennen. Ohne dass das Geschehnis sonderlich auf der Tonskala steigt, gerät es beim Wiedererzählen einfach ausser Sicht. Das ist Reduzieren bis zum Punkt des Zurückweichens. In wenigen Tagen wird dieses Geschehnis wieder in Kraft sein, und fast so stark wie vorher. Es liegt Material davor und emotionelle Ladung dahinter, so dass es nicht nachgibt.

Während des Arbeitsverlaufs können mit einem Engramm also verschiedene Dinge geschehen. Es kann reduziert werden, d. h. sich emotionell und somatisch entladen, und hat danach keine grosse aberrierende Kraft mehr. Es kann zurückweichen, d.h., dass es nach mehrfachem Wiedererzählen lediglich ausser Sicht gerät. Es kann verlöschen, d.h. es kann verschwinden und danach – was die En­grammbank betrifft – aufgehört haben zu existieren.

Mit etwas Erfahrung kann der Auditor sagen, was mit einem Engramm geschehen wird, nachdem es kontaktiert ist. Eine Auslö­schung findet gewöhnlich nur statt, nachdem das Basik-Basik er­reicht worden ist bzw. wenn in der Grundzone gearbeitet wird. Die Reduzierung wird von einer emotionellen Entladung begleitet. Wenn es in der Engrammbank zuviel gibt, was das Geschehnis unter­drückt, weicht es lediglich zurück.

Dann und wann wird auch der beste Auditor ein Engramm zu fassen bekommen und beschliessen, es jetzt, nachdem es kontaktiert worden ist, wenigstens auszuschmirgeln. Das ist ein trostloses Stück Arbeit. Vielleicht ist es besser, es auszuschmirgeln, als es lediglich zu restimulieren (was den Patienten ein paar Tage lang irritieren wür­de); vielleicht auch nicht. Wie auch immer, ein Engramm, das sich nur bis zum Zurückweichen reduzieren lässt, hätte man gar nicht erst berühren sollen.

Auditoren ohne Erfahrung blasen stets zum Angriff auf die Ge­burt, die ein so offensichtlich scheinendes Angriffsziel ist. Jeder hat sein Geburtserlebnis. Es lässt sich bei den meisten Patienten ziemlich leicht finden. Es ist jedoch ein schmerzhaftes Geschehnis, und bis die Grundzone gründlich bearbeitet, die schmerzliche Emotion aus dem späteren Leben entladen und der Archivar bereit ist, das Geburtsge­schehnis auszuhändigen, sollte man es lieber in Ruhe lassen. Ge­wöhnlich weicht es nur zurück und taucht dann immer wieder auf, um den Auditor zu plagen. Der Patient bekommt unerklärliche Kopf­schmerzen, Schnupfen und fühlt sich unwohl, bis die Geburt auf dem Rückweg (von der Grundzone aufwärts) aufgegriffen wird. Natürlich vergeudet der Auditor Zeit mit dem Versuch, diese Kopfschmerzen und den Schnupfen zu beseitigen, weil das Geburtserlebnis sich an­gesichts des ganzen davorliegenden vorgeburtlichen Lebens nicht or­dentlich reduzieren oder auslöschen lassen wird, sondern lediglich zurückweicht. Allzu häufig verursacht das Geburtserlebnis dem Pa­tienten Kopfschmerzen und eine Erkältung, wenn es vorzeitig be­rührt wird. Diese Unbequemlichkeiten sind an sich unbedeutend, die Arbeit jedoch, die ein Auditor in die Behandlung eines Geschehnisses investiert haben mag, das sich nur bis zum Zurückweichen reduzie­ren lässt, ist verschwendet. Es stimmt zwar, dass der Archivar das Geburtserlebnis gelegentlich aushändigt; in diesem Fall liegt eine emotionelle Ladung darauf, die sich entladen lassen wird, und das Geschehnis wird sich angemessen reduzieren lassen. Der Auditor sollte es unbedingt aufgreifen. Es kann auch durchaus sein, dass ein Fall stagniert und der Auditor auf gut Glück die Geburt angeht, nur um zu sehen, ob er die Sache beschleunigen kann. Doch zum Geburts­erlebnis zurückzugehen, nur um ein Engramm aufzugreifen, weil der Auditor weiss, dass es dort eines gibt, bringt Unbehagen und ist verlo­rene Zeit. Gehen Sie so tief wie möglich in den vorgeburtlichen Be­reich zurück, um zu sehen, was der Archivar aushändigt. Versuchen Sie es in der Grundzone mit der Wiederholungstechnik. Möglicher­weise erhalten Sie Geschehnisse, die sich auslöschen lassen. Wenn dort nichts ist, dann finden Sie ein Engramm mit schmerzlicher Emotion im späteren Leben – den Tod eines Freundes, den Verlust eines Verbündeten, geschäftlichen Misserfolg oder was es auch sein mag. Entladen Sie es, reduzieren Sie es als Engramm, gehen Sie dann in den möglichst frühen vorgeburtlichen Bereich zurück und schauen Sie nach, was dort aufgetaucht ist. Wenn der Archivar glaubt, dass jetzt das Geburtserlebnis benötigt wird, dann wird er es aushändigen. Verlangen Sie aber nicht nach dem Geburtserlebnis, nur um ein Engramm zu haben, mit dem Sie arbeiten können, denn das kann sich, wie gesagt, als ausgesprochen unangenehme und fruchtlose Bemühung erweisen. Die Geburt taucht auf, wenn sie auf­taucht. Der Archivar versteht sein Fach.

Geht man irgendeinen späteren Zeitraum von »Bewusstlosig­keit« an, z.B. eine Operation unter Narkose, wo körperlicher Schmerz in grossen Mengen vorhanden ist, kann ebenfalls das En­gramm unnötig restimuliert werden. Bei solchen Dingen kommen Sie natürlich mit Reverie besser zurecht als mit Hypnose oder Narkosynthese, bei denen eine derartige Restimulation schwerwie­gende Folgen haben kann. In der Reverie sind die Auswirkungen geringfügig.