Erinnerungsmerkmale

Ein magisches Amulett, der glückbringende Talisman oder wunderkräftige Hasenpfoten, all jene Gegenstände und merkwürdi­gen Angewohnheiten, die man sich als Andenken bewahrt – sie sind die »Herzensschätze« des reaktiven Verstandes.

Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass ein Mann Lamas im Wohnzimmer hält, lila und grün gestreifte Hosenträger trägt oder dreimal auf Holz klopft, um das Glück herbeizurufen; ebenso kann man nichts dagegen einwenden, wenn jemand über einem gestohle­nen Damenpantoffel seufzt oder eine spezielle Marke billiger Stum­pen raucht. Jede Aufstellung der Menschenrechte sollte solchen Ex­zentrizitäten Raum lassen. Der Auditor aber kann diese Daten be­nutzen, um wesentliche Informationen zutage zu fördern.

Nach der dianetischen Definition umfasst der Begriff Erinne­rungsmerkmal die Gegenstände und Gewohnheiten, die ein Mensch oder eine Gesellschaft behält bzw. beibehält, indem sie nicht wissen, dass sie Erweiterungen eines Verbündeten sind.

Aufgrund des reaktiven »Denkens« in Gleichsetzungen gibt es für jeden Restimulator in der Umwelt Nebenrestimulatoren, also Dinge, die mit dem Restimulator verknüpft sind. Da der analytische Verstand keine Ahnung hat, was ihm geschieht, jedoch aufgrund der körperlichen Reaktion bemerkt, dass für irgendetwas ein Restimula­tor in der Nähe ist, führt er sein Unbehagen auf einen Nebenrestimulator zurück, kann aber nicht den wirklichen Restimulator fin­den. (In dem Beispiel vom jungen Mann mit der Jacke, das im zwei­ten Teil dieses Buches geschildert wurde, war das Berühren des Schlipses das Signal, die Jacke auszuziehen; er beklagte sich aber nicht über den Schlips; am nächsten kam er diesem in der Person und der Kleidung des Hypnotiseurs. Das waren Nebenrestimulatoren.)

Der Restimulator eines überlebensfeindlichen Engramms mag eine Glühbirne sein, aber der Aberrierte hält den Schirm, den Zug­schalter, das Zimmer oder die Person unter der Lampe für die Ursa­che seines Unbehagens. Er hat nicht nur keine Ahnung, dass ein Restimulator vorhanden ist, sondern glaubt sogar, dass es die mit dem Restimulator assoziierten Gegenstände sind, die ihm von sich etwas antun.

Der Nebenrestimulator für ein überlebensfeindliches Engramm braucht keinen anderen Namen als eben Nebenrestimulator. Der Schmerz ist das »Ding«; und die Dinge, die auf irgendeine Weise mit dem Ding assoziiert werden, sind das Ding, sind andere Dinge usw. – das ist das reaktive Gleichsetzungsdenken, das die Welt des Aberrierten mit Furcht und Schrecken erfüllt. Bringen Sie ein Kind an einen Ort oder in ein Zimmer, wo es unglücklich war, so kann es krank werden, denn es findet sich einem Restimulator gegenüber. Es kann die Furcht ebenso wie der Erwachsene bestenfalls durch etwas erklären, das rational nicht mit dem Restimulator verknüpft ist. Das ist der Mechanismus engrammatischer Restimulierung.

Es ist für einen Aberrierten meist schrecklich unangenehm, wenn er beim besten Willen nicht sagen kann, warum er eine Person, einen Gegenstand oder einen Ort nicht mag. Er kann diese drei nicht mit dem wirklichen Restimulator verknüpfen; er weiss auch nicht, dass er in diesem Zusammenhang ein Engramm hat. Auf diese Weise Engramme zu suchen, führt zu nichts, denn man kann sich nicht einfach Gegenstände, Personen und Orte heraussuchen und davon ausgehen, dass es sich um Restimulatoren handele. Sie sind vielleicht nur Nebenrestimulatoren zum wirklichen Restimulator in der Um­gebung. (In Engrammen enthaltene Worte und jeder andere wirkli­che Restimulator können übrigens den Aberrierten »auf Knopf­druck« in Aktion setzen oder in Apathie stossen, wenn sie bei ihm zur Auswirkung kommen. Im Fall von Wörtern muss es genau das Wort sein; beispielsweise wird »malen« nicht die Reaktion auslösen, wenn im Engramm »Maler« enthalten ist. Die Tätigkeit des Malens kann dagegen generell ein Nebenrestimulator sein, und der Aberrierte kann zum Ausdruck bringen, dass er Malen nicht mag; das bedeutet jedoch nicht, dass Malen ihn »auf Knopfdruck« zum Husten oder Seuf­zen bringt, ihn ärgerlich oder krank macht, oder was auch immer das Engramm, das das Wort enthält, ihm zu tun diktiert.)

Das Erinnerungsmerkmal ist eine besondere Art von Restimulator. Während der Auditor im Zusammenhang mit überlebensfeind­lichen Engrammen nicht viel Verwendung für Nebenrestimulatoren haben mag, kann er doch das Erinnerungsmerkmal als Hilfsmittel benutzen, um Verbündete ausfindig zu machen.

Ein Erinnerungsmerkmal ist jeder Gegenstand, jedes Verhalten oder jede Gewohnheit, derer sich ein oder mehrere Verbündete be­dienten. Aufgrund des reaktiven Identitätsdenkens bedeutet der Ver­bündete Überleben; alles, was der Verbündete benutzt hat oder tat, ist daher Überleben. Zu der Valenz des Verbündeten greift der Aber­rierte am häufigsten. Während sich der Clear willentlich und wie es ihm beliebt in fremde Valenzen versetzen kann, die er sich vorstellt oder sieht, und sie willentlich wieder verlassen und sich in seiner eigenen stabilisieren kann, schlittert der Aberrierte ohne sein Wis­sen und Wollen in Valenzen hinein und befindet sich meist in irgend­einer fremden Valenz, statt in der eigenen. Eine Person, die, wenn man sie trifft, jedes Mal jemand anderer zu sein scheint, oder die jedem, dem sie begegnet, anders gegenübertritt, wobei sich eine Va­lenz speziell hier und eine andere dort zeigt, gleitet von einer gewin­nenden Valenz in die andere; wird sie in diesen ständigen Wechseln gestört, begibt sie sich in zweitrangige Valenzen; zwingt man sie in ihre eigene Valenz, dann wird sie krank. Natürlich weisen alle Va­lenzen etwas von der Person selbst auf.

In Verbündetenvalenzen hineinzuschlüpfen gehört zum Grundverhalten eines Aberrierten. Er wird sich am wohlsten fühlen, wenn seine eigene Valenz mit der Valenz eines Verbündeten bis zu einem gewissen Grad gemischt ist. Solange der Verbündete oder Pseudover­bündete nicht verfügbar ist, erinnert sich der Aberrierte durch Erin­nerungsmerkmale an die Verbündetenvalenz. Diese Erinnerungs­merkmale sind das, was der Verbündete besass, ausübte oder tat.

Ein Aberrierter wird sich oftmals unentrinnbar mit einem Pseudoverbündeten zusammentun, beispielsweise durch eine Ehe, um dann erstaunt zu entdecken, dass er keinen Partner mit dem optimalen Verbündetenverhalten gefunden hat. (Die Mutter war eine Verbündete, Mutter hat Brot gebacken; die Frau ist die Pseudomutter, obwohl sich weder er noch sie darüber im Klaren sind; die Frau bäckt kein Brot. Die Mutter missbilligte Lippenstifte, die Frau benutzt sie; die Mutter liess ihm seinen Willen, die Frau zeigt eine herrische Haltung. Die Frau ist nur deswegen die Pseudomutter, weil sie eine ähnliche Stimme hat.) Der Aberrierte versucht dann reaktiv und ohne es zu wissen, Frau oder Partner in die Verbünde­tenvalenz zu locken, weil er den Augenblick des Mitgefühlsengramms mit der Gegenwart verwechselt – eine mechanische Ver­schiebung, die einfach dadurch verursacht wird, dass das Mitgefühlsengramm durch die Stimme oder etwas Ähnliches resti­muliert wird –, und lässt daraufhin die engrammatische Krankheit, Verletzung oder Operation als eine psychosomatische Krankheit bei sich in Erscheinung treten. Die Überlegung des reaktiven Verstandes ist ausgesprochen einfältig; er will den Verbündeten herbeizwingen, in­dem er das Somatik produziert, das den Verbündeten zu Mitgefühl veranlasste. Das kann auch ein Versuch sein, einen Partner in die Mitgefühlsvalenz umzuwandeln, den der reaktive Verstand als jeman­den erkannt zu haben glaubt, der sowohl ein Freund als auch ein Feind sein kann. Die Ehefrau ist grausam. Mutter war grausam, doch nach der Verletzung war sie dann nett. Zeige die Verletzung als chronische psychosomatische Krankheit – und die Ehefrau wird nett sein! In Wirklichkeit wird die Frau aber nicht netter, also wird die reaktive Berechnung stärker eingesetzt; die Krankheit verschlim­mert sich, und so gleiten wir abwärts in die schwindelerregend enger werdende Spirale. Die psychosomatische Krankheit soll gleichzeitig zum Ausdruck bringen, dass man ungefährlich und hilflos ist. Sie ist etwas Ähnliches wie das Sichtotstellen eines Tieres, um einem Feind zu entgehen, eine Art Angstlähmung: »Ich bin keine Bedrohung für dich! Ich bin krank!«

Der Aberrierte begibt sich in seine eigene Valenz aus der Zeit des Mitgefühlsengramms, wenn er nach Mitleid heischt und demon­strieren will, dass er ungefährlich ist. Die eigene damalige Valenz ist natürlich durch die Altersangabe und das Somatik jenes Engramms belastet, in dem er unreif und krank war.

Die psychosomatische Krankheit ist auch ein Erinnerungs­merkmal, d.h. eine Sache, die den Betreffenden an eine Zeit erinnert, als er Liebe und Fürsorge erfuhr und dies auch in Worten ausge­drückt wurde. Er braucht die Krankheit natürlich ebenso wenig wie eine Atombombenexplosion – sie ist jedoch gutes, solides »Überle­ben« nach Art des reaktiven Verstandes. Der reaktive Verstand wird es so einrichten, dass der Mensch überlebt – und wenn es ihn umbringt.

Das alles geschieht mechanisch. Im Grunde handelt es sich ein­fach um die Restimulierung eines Engramms, doch man versteht es besser, wenn man es als eine Berechnung auf niedriger Ebene sieht.

In Abwesenheit eines Verbündeten, aber auch in seiner Anwe­senheit ahmt die Person diesen reaktiv nach. Bewusstes Nachahmen ist eine sehr gute Art des Lernens. Reaktives Nachahmen jedoch verdirbt die Persönlichkeit. Auf reaktiver Ebene hatte die Person einst einen Verbündeten, den sie nun imitiert. Bewusst kann sie sich an diesen Verbündeten oder dessen Gewohnheiten vielleicht nicht einmal erinnern.

Bedenken Sie, dass der Verbündete jemand ist, der in die innere Welt des Verstandes eindrang und Mitgefühl oder Schutz gewährte, als der Analysator durch eine Krankheit, Verletzung oder Operation ausgeschaltet war. Der Verbündete ist Teil des Mitgefühlsengramms. Wenn ein Kind die Grosseltern liebte und in ihrer Nähe zu seinem Glück nicht krank war, bzw. wenn es krank oder verletzt war, von ihnen nicht voller Mitgefühl angesprochen wurde, würde es sie im­mer noch lieben. In der Dianetik wird nur der als Verbündeter be­zeichnet, der in einem engrammatischen Geschehnis Mitgefühl oder Schutz bot. Um geliebt zu werden oder um zu lieben, brauchen wir keine Engramme – ganz im Gegenteil: ohne Engramme wird man mehr geliebt und liebt man mehr.

Das Erinnerungsmerkmal bezieht sich in der Dianetik nur auf den Verbündeten und ist ein Gegenstand, eine Verhaltensweise oder eine Angewohnheit, die einem Gegenstand, einer Verhaltensweise oder einer Angewohnheit des Verbündeten ähnlich ist.

Der Verbündete rauchte Brasil-Zigarren, und so raucht der Aberrierte vielleicht auch Brasil-Zigarren, gleichgültig, was das sei­nem Hals oder seiner Frau antut. Der Verbündete trug Jockey-Müt­zen, die aberrierte Dame ist in Reiterkleidung vernarrt, hat aber niemals ein Pferd bestiegen. Die Verbündete strickte; der Aberrierte trägt vorwiegend Stricksachen oder will, wenn er eine Frau ist, we­nigstens den Anschein erwecken, dass er auch strickt; und sie wun­dert sich manchmal, warum sie damit überhaupt angefangen hat, wo sie doch so schlecht damit zurechtkommt. Der Verbündete fluchte gern, der Aberrierte gebraucht die gleichen Flüche. Der Verbündete bohrt in der Nase und wischt sich die Nase am Ärmel ab, der Aber­rierte wischt sich die Nase am Smoking ab und fummelt an seinen Nasenlöchern herum.

Das Erinnerungsmerkmal kann eine Erinnerung an einen reinen Verbündeten oder an die Freund-Seite eines ambivalenten Freund-Feindes sein. Es kann auch eine gewinnende Valenz sein, die sich ausserdem dem Aberrierten gegenüber ambivalent verhielt. Das Erinnerungsmerkmal ist niemals ein Nebenrestimulator in dem Sin­ne, dass es an einen Widersacher erinnert, denn Nebenrestimulatoren werden verabscheut.

Das beständigste Erinnerungsmerkmal oder Gehabe, die dauer­hafteste Angewohnheit oder Verhaltensweise eines Preclears sind ein direkter Hinweis auf den reinen Verbündeten. Und diesen reinen Verbündeten wird der reaktive Verstand bis ins oberste Geschoss seines belagerten Burgfrieds beschützen. Auf ihn zielt der Auditor. Er kann gezwungen sein, den grössten Teil der Engrammbank zu entladen, bevor er das Engramm auslöschen kann, das den Preclear am mei­sten aberriert, ihn mit seltsamen Gewohnheiten belastet und chro­nisch krank macht.

Beobachten Sie den Preclear, und stellen Sie fest, was er tut und sagt, was aber nicht zu seiner Persönlichkeit passt. Schauen Sie, an welchen seiner gewohnheitsmässigen Handlungen er keine rechte Freude zu finden scheint. Beobachten Sie, was er benutzt und was seine Eigenarten sind. Mittels dieser Beobachtungen können Sie durch unauffällige Fragestellungen vielleicht einen Verbündeten in sein Gedächtnis rufen, den er vergessen hatte. Hierdurch spüren Sie möglicherweise schnell das Mitgefühlsengramm auf, in dem der Ver­bündete enthalten ist, oder Sie können eine emotionelle Entladung erreichen, wenn Sie das Engramm mit schmerzlicher Emotion fin­den, das den Verlust dieses Verbündeten, dessen Krankheit oder ihn betreffende Geschehnisse enthält.

Ein anderes, jedoch spezielles Erinnerungsmerkmal geht auf einen Befehl zurück, der besagt, dass man stirbt, wenn man sich nicht so und so verhält. Ein Vater beispielsweise, der Zweifel an seiner Vaterschaft hegt, droht mitunter, während er die Mutter prügelt oder in inneren Aufruhr versetzt, dass er das Kind umbringen werde, wenn es nicht genau wie er, der Vater, sein werde. Das ist ein sehr unglücklicher Typ eines Erinnerungsmerkmals, ganz zu schweigen davon, dass dadurch zumeist auch ein übles Engramm entsteht. Es kann sogar bewirken, dass die Körperstruktur verformt wird, Nasen länger werden oder dass Haar fehlt; es kann den Aberrierten in einen Beruf zwingen, zu dem er keine Lust hat – alles wegen des En­grammbefehls, dass das Kind dem Vater gleichen müsse. Da ein sol­cher Befehl gewöhnlich vor der Geburt gegeben wird, ist er oft unwis­sentlich an ein Mädchen gerichtet, nachdem Väter gewöhnlich nicht hellseherisch begabt sind; in einem solchen Fall wird er die bemer­kenswertesten Veränderungen der Körperstruktur bei einer Frau hervorrufen und ungewöhnliche Eigenheiten fixieren, »Ambitionen« erzeugen (wie beim Hund, der gepeitscht wird, wenn er die Ente nicht bringt) sowie zu zwanghaften Verhaltensmuster führen, die – gelinde gesagt – erstaunlich sind. Um nach der Geburt die Reaktivierung eines sol­chen Engramms zu erreichen, muss der Vater ein ziemlich ambivalentes Verhalten an den Tag legen, damit die Freund-Feind-Berechnung in Gang kommen kann. Nicht wie der Vater zu sein bedeutet zu sterben. Um durchzusetzen, dass der Vater sich wieder so verhält wie im Mitgefühlsengramm, muss der reaktive Verstand das Erinnerungs­merkmal der Krankheit zeigen. Erinnerungsmerkmal und Ähnlich­keit sind das Ergebnis einer solchen Berechnung. Und erinnern Sie sich daran, dass all diese Berechnungen nicht einfach sind und da­durch noch verwickelter gemacht werden, dass Dutzende anderer engrammatischer Berechnungen hinzukommen.

Wer dem Preclear sowohl als Feind wie auch als Freund begeg­net ist, ist als Feind ziemlich leicht wiederzufinden und auch nicht allzu schwer als Freund. Durch die Standardtechnik in Form der Wiederholung von Redewendungen und Rückkehr usw. könnte allein schon jedes Engramm schliesslich lokalisiert und die Bank ausge­löscht werden, so dass die Geschehnisse umgespeichert werden. Die Verwendung des Erinnerungsmerkmals erleichtert das Auditieren noch.

Im Fall des reinen Verbündeten, des Vorkämpfers für das Recht, kommt die Standardtechnik schliesslich auch zum Ziel. Aber wie ein­fach wird hier der Weg bisweilen, indem man das Erinnerungsmerk­mal als Hinweis benutzt! Denn dieses kann so auffällig und eigenar­tig sein wie ein Elefant in einem Vogelkäfig. Es ist ein wirklicher Verbündeter nötig, um solche sonderbaren Angewohnheiten am Le­ben zu halten.

Beurteilen Sie den Preclear im Verhältnis zu seiner Umgebung, seiner Ausbildung, seiner Gesellschaftsschicht und seinem Beruf. Schauen Sie dann nach dem, was sich mit seinem sonstigen Leben nicht in Einklang bringen lässt; achten Sie auf die Dinge oder Verhal­tensweisen, derer er sich bedient, die Gegenstände, die er verehrt, und die Eigenarten, die seine Freunde so merkwürdig finden. Finden Sie dann heraus, ob er oder seine Frau irgendjemanden kannten, der diese Dinge tat oder mochte.

Der Leser sollte nach all diesem nicht annehmen, dass unser Clear alle merkwürdigen Eigenarten über Bord geworfen hat. Selbstbestimmung ist extreme Individualität; die Persönlichkeit ist ange­boren und ragt, durch das Klären enthüllt, hoch über der aberrierten Person auf. Die Engramme drücken einen Menschen zusammen und machen ihn klein und ängstlich. Im befreiten Zustand kommt seine Kraft zur Entfaltung. Das Mitgefühlsengramm ist für einen Men­schen gleich einer Krücke, obwohl er zwei gesunde Beine hat. Aber ach, wie der Preclear schluchzt, wenn er den lieben Onkel Gustav loswerden soll, dessen übernommene Angewohnheit, auf den Boden zu spucken, die Freunde und Geschäftspartner unseres Preclears so sehr befremdete! Doch der Gram ist kurz; gewöhnlich dauert er nur die halbe Stunde an, die man braucht, um das Mitgefühlsengramm auszuschöpfen. Plötzlich kann sich der Preclear an Onkel Gustav erinnern, und er kann sich tausend Dinge, die Onkel Gustav und er zu tun pflegten, zurückrufen, denn das Engramm hatte Onkel Gu­stav abgesperrt und ihn zusammen mit anderen Leuten ausserhalb der Sicht des »Ichs« gehalten – auch wenn es im Engramm geheissen haben mag: »Schon gut, na, na, na, Willy. Ich werd’ für dich sorgen. Wirf dich nicht so hin und her. Dir wird es wieder gut gehen. Na, na, na, armer kleiner Kerl. Armer kleiner Kerl. Was für einen furchtba­ren Ausschlag du hast. Wie fiebrig! Na, na, na, Willy. Alles wird gut gehen, solange ich da bin. Ich werde für meinen Willy sorgen. Schlaf jetzt. Schlaf ein und vergiss es.« Und Willy war die ganze Zeit »be­wusstlos« und »wusste« nie davon. Später bekam er einen Geschäfts­partner, der wie Onkel Gustav aussah (aber unglücklicherweise ein Dummkopf war), und als er bankrott war, bekam er irgendwie einen Hautausschlag und einen chronischen Husten. Er wurde sehr »fieb­rig« bei seinen Geschäften. Er begann, auf den Boden zu spucken, gleichgültig, wo er sich befand, seine Gesundheit verschlechterte sich, und es ging mit ihm bergab. Wenn Sie ihn jedoch vor der Thera­pie nach irgendwelchen Onkeln gefragt hätten, hätte er sich sehr vage ausgedrückt. »Geben Sie mir eine Blitzantwort«, sagt der Audi­tor. »Wer spuckte immer auf den Fussboden?« »Onkel Gustav«, ant­wortet der Preclear. »Mensch, ist das ulkig (Räuspern, Spucken), seit Jahren habe ich nicht mehr an ihn gedacht. Er hat sich auch nie besonders viel sehen lassen (nur zehn Jahre lang am laufenden Band, entdeckt der Auditor vielleicht später). Ich glaube nicht, dass er wichtig ist. Greifen wir lieber Frau Bierbach, meine Lehrerin, auf …« »Gehen wir nun zu der Zeit zurück, wo Ihnen Onkel Gustav geholfen hat«, sagt der Auditor. »Der Somatikstreifen geht jetzt zu der Zeit zurück, wo Onkel Gustav Ihnen geholfen hat.« »Ich habe das Gefühl, als würde meine Haut brennen«, klagt der Preclear. »Das muss – he, das ist meine Allergie! Aber ich sehe niemanden. Wirklich nicht … Warte mal, ich bekomme einen Eindruck von jemandem. Irgendjemand – nein, das ist ja Onkel Gustav!« Er durchläuft das Engramm, und der Ausschlag verschwindet. Der Auditor hatte aber vielleicht hundert Engramme beseitigen müssen, bevor er an dieses eine herankam. Und dann erinnert sich der Preclear plötzlich an die ganze Zeit damals mit ihm und Onkel Gustav – doch setzen Sie die Therapie fort.

Vollkommene Erinnerung scheint mit vollständiger geistiger Gesundheit gleichbedeutend zu sein. Doch nehmen Sie nicht an, dass ein Clear, nur weil er seine Onkel Gustavs und seine Angewohnheit, auf den Boden zu spucken, losgeworden ist, keine Eigenwilligkeiten mehr hätte. Der Unterschied besteht darin, dass er nicht gegen seinen Willen in Exzentrizitäten hineingezwungen wird. Grosser Gott, was kann sich ein geklärter Verstand nicht alles ausdenken, um der Lange­weile zu entgehen!