Die Zelle und der Organismus

Warum blieb das Engramm als die einzige Quelle von Aberration und psychosomatischer Krankheit so lange verborgen? Deshalb, weil einfache En­gramme so vielfältige und nahezu unendlich komplexe Erscheinungen zeitigen können.

Man könnte verschiedene Theorien aufstellen, warum sich der menschliche Verstand genau so entwickelte, wie es geschah. Doch das sind Theorien, und die Dianetik ist an Strukturfragen nicht weiter interessiert. Gleichwohl erscheinen hier ein paar Bemerkungen angebracht, um für künftige Forschungen auf diesem Gebiet eine Anregung zu geben. Es handelt sich jedoch lediglich um Annahmen, die als Grundlage für die weitere Forschung dienen könnten. Es scheint, daß eine eindeutige Beziehung zwischen allen im Körper befindlichen elektrizitätsähnlichen Energien und den Energieergüssen aus Zellen, die Verletzungen erfahren, besteht. Erzwangen etwa verletzte Zellen, die ihre Nachbarn durch das Entladen elektrizitätsähnlicher Energie dann ebenfalls schädigten, die Entwicklung einer Spezialzelle, die als Kanal zur Ableitung dieser schmerzhaften Ladung dient? Die Ableitungskanäle von Zellen mögen zu Neuronen geworden sein, und die Ladung mag sich dadurch besser über den Körper verteilt haben, so daß es nicht so wahrscheinlich war, daß der Bereich der verletzten Stelle unbrauchbar wurde. Diese Kanäle, die Neuronen, könnten begonnen haben, sich durch Stöße oder Aufprall an den Extremitäten in Bewegungs­richtung herauszubilden. Dies hätte zur Folge, daß die größte Ansammlung von Neuronen sich im Kopf befindet. Entsprechend mag der Mensch mit seinem aufrechten Gang zu einem neuen Punkt des Aufpralls, nämlich der Stirn gelangt sein und sich auf diese Weise seine vorderen Hirnlappen erworben haben. Oder vielleicht auch nicht. Das ist eine bloße Theorie, zu deren Stützung nur wenige Daten von wissenschaftlichem Wert vorliegen. Sie ist noch nicht Gegenstand wissenschaftlicher Experimente gewesen.

Das folgende muß allerdings als Strukturtheorie vorgelegt werden: Die Zelle ist einer der Grund­bausteine des Körpers. Um besser zu überleben, scheinen sich Zellen zu Kolonien vereinigt zu haben, die ihrerseits das Überleben als Hauptinteresse hatten. Die Kolonien entwickelten oder verbanden sich zu Anhäufungen, die ihrerseits Organismen waren und deren einzige Zielsetzung gleichfalls das Überleben war. Und die Organismen entwickelten Bewußtseinsfunktionen, um die Muskeltätigkeit zu koordinieren und die Probleme des Überlebens zu lösen.

Auch dies ist Theorie. Zwar führte dieser Gedankengang zur Dianetik, aber er kann vollständig falsch sein. Die Dianetik ist in der Praxis bewiesen und anwendbar. Man kann diese Theorie von der Dianetik trennen, und die Dianetik wird eine Wissenschaft bleiben und weiterhin funktionieren. Das Konzept des Elektronengehirns war in der Dianetik nicht entscheidend sondern nur hilfreich und man hätte es weglassen können – es würde Dianetik trotzdem geben. Eine Wissenschaft ist in Bezug auf ihre innere Theorie etwas Wandelbares. Mit der Dianetik haben wir unseren Keil in ein enorm umfangreiches Forschungsgebiet hinein­getrieben. Wie die Dianetik heute dasteht, funktioniert sie, und sie funktioniert regelmäßig und ohne Ausnahme. Über die Gründe für ihr Funktionieren wird man zweifellos weiterforschen und sie hier und da zu ihrem Vorteil verändern. Wenn das nicht geschähe, dann wäre der Glaube an diese und die kommenden Generationen von Wissenschaftlern nicht gerechtfertigt.

Warum wir über Zellen sprechen, wird im weiteren Verlauf deutlich werden. Wir wissen, daß die früheren Strukturbegriffe nicht richtig sind, weil sie funktionell nicht brauchbar sind. All unsere Fakten sind funktioneller Natur, und es sind wissenschaftliche Tatsachen, die durch die praktische Forschung vollständig nachgewiesen sind. Funktion kommt vor Struktur. James Clerk Maxwell legte seine Theorien in mathematischer Form vor, und die Elektrizität wurde weit und breit genutzt, lange bevor irgendjemand eine wirkliche Vorstellung von der Struktur des Atoms hatte. Die Funktion kommt immer vor der Struktur. Daß der Mensch in den vergangenen Jahrtausenden nur erstaunlich geringe Fortschritte in der Erforschung des menschlichen Verstandes machte, muß man teilweise der Tatsache zuschreiben, daß das »Denkorgan« dieses Verstandes auf dem Gebiet der Medizin liegt, die keine Wissenschaft, sondern eine Kunst ist und vielleicht noch lange eine solche bleiben wird. Bevor diese Kunst entscheidende weitere Fortschritte machen wird, wird erst eine grundlegende Philosophie kommen müssen, die das Leben erklärt.

Die Fähigkeiten der Zelle sind beispielsweise nur dürftig erforscht worden. Während der letzten Jahre ist zwar einige Arbeit geleistet worden, um mehr herauszufinden, doch fehlte die grundlegende Philosophie. Die Zelle wurde beobachtet, es wurde aber nicht vorhergesagt, was sie ist und leistet.

Zellstudien am Menschen sind größtenteils am toten Gewebe erfolgt. Dem toten Gewebe fehlt eine unbekannte Qualität, die wichtigste Qualität – das Leben.

Sehr zu unserer Verwunderung entdeckten wir in der Dianetik aufgrund von systematischer Beobachtung, daß die Zellen offenbar auf eine gegenwärtig unerklärliche Weise bewußt empfinden. Wenn wir nicht von der Annahme ausgehen, daß bei der Empfängnis eine menschliche Seele in die Samenzelle und die Eizelle eindringt, dann gibt es Phänomene, die durch keine andere Annahme erklärt werden können als die, daß diese Zellen tatsächlich auf irgendeine Art bewußt empfinden. Betritt man ein neues Gebiet mit Grundannahmen, die nach allen Richtungen hin brauchbar sind – und die grundlegende Philosophie des Überlebens ist ein Lotse, der uns weiter und weiter in immer neue Gebiete führt und überall Phänomene erklärt und voraussagt –, dann ist es unvermeidlich, daß Daten auftauchen, die mit früheren Theorien nicht übereinstimmen. Wenn diese Daten dann ebenso wissenschaftlich sind wie die Beobachtung, daß ein Apfel, wenn man ihn fallen läßt, unter normalen Umständen hier auf der Erde nach unten fällt, so kann man sie einfach nur akzeptieren. Frühere Theorien aufgeben zu müssen, mag einige Überwindung kosten und unsere wehmütige Liebe zur alten Schulweisheit verletzen – aber eine Tatsache bleibt eine Tatsache.

Die Zellen als Denkeinheiten haben offenbar einen Einfluß auf den Körper als eine Denkeinheit und als Organismus. Wir brauchen dieses Strukturproblem nicht zu entwirren, um unsere funktionellen Grundannahmen zu entwickeln. Die Zellen speichern offenbar Engramme schmerzhafter Erfahrungen. Schließlich sind es gerade sie, die verletzt werden. Und offenbar behalten sie jedes Mal, wenn der Analysator sie im Stich gelassen hat, eine Peitsche in der Hand, mit der sie eine Wiederholung in der Zukunft verhindern können. Die Geschichte des Engramms scheint die Geschichte eines Kampfes zwischen den Truppen und dem General zu sein, der immer dann erfolgt, wenn der General einen Teil seiner Truppen einbüßt. Je weniger erfolgreich dieser General seine Truppen schützt, umso mehr Macht eignen sie sich an. Offenbar drängten die Zellen das Hirn in eine Aufwärtsentwicklung zu höherer Bewußtheit. Schmerz kehrt den Prozeß um, als würde es den Zellen leid tun, soviel Macht in die Hände eines Oberbefehlshabers gelegt zu haben.

Der reaktive Verstand mag sehr wohl die Gesamtheit der zellularen Intelligenz sein. Diese Annahme ist nicht unbedingt erforderlich, ist jedoch eine brauchbare Strukturtheorie, die den Mangel an gesicherten Forschungs­ergebnissen auf diesem Gebiet der Struktur überbrückt. Bei der reaktiven Engrammbank mag es sich also um Material handeln, das in den Zellen selbst gespeichert ist. Es spielt keine Rolle, ob dies im Augenblick glaubhaft ist oder nicht. Etwas muß darüber allerdings gesagt werden, damit man geistig in den Griff bekommt, was in Augenblicken von »Bewußtlosigkeit« geschieht.

Es ist eine beobachtete und nachgeprüfte wissenschaftliche Tatsache, daß der Organismus bei Auftreten körperlicher Schmerzen den Analysator aus dem Schaltkreis heraustrennen läßt, so daß das persönliche Bewußtsein als Gesamtorganismus herabgesetzt oder ganz ausgeschaltet ist. Er tut dies entweder, um den Analysator zu schützen oder um ihm seine Macht zu entziehen, in der Überzeugung, daß ein Engramm in einer Notsituation am besten weiterhelfen könne – womit übrigens der Analysator erwiesenermaßen nicht übereinstimmt.

Jede während dieser nichtanalytischen Perioden vorhandene Wahrnehmung, einschließlich des körperlichen Schmerzes, wird auf­gezeichnet. Sobald Schmerz – d. h. körperlicher Schmerz – vorliegt, wird der analytische Verstand mehr oder weniger außer Betrieb gesetzt. Auch wenn der Schmerz nur einen Augenblick andauert, gibt es einen Augenblick lang eine analytische Einschränkung. Das ist leicht zu beweisen – versuchen Sie einfach, sich an das letzte Mal zu erinnern, wo Sie sich ernstlich wehgetan haben, und sehen Sie nach, ob es da nicht wenigstens für einen Augenblick eine Erinnerungslücke gibt. Das Einschlafen bei einer Narkose, aus der man erst einige Zeit später wieder erwacht, ist eine kompliziertere Art der Bewußtseinsaus­schaltung, weil zwar auch physischer Schmerz beteiligt ist, die Ausschaltung aber zuerst durch ein Gift verursacht wird (alle Anästhetika sind technisch gesehen Gifte). Ein Zeitraum mehr oder weniger starker Ausschaltung des Analysators entsteht auch beim Ersticken, beispielsweise beim Ertrinken, oder wenn das Blut aus irgendeinem Grund den Bereich oder die Bereiche verläßt, die der Sitz der analytischen Kraft sind – wo auch immer sich diese befinden mögen. Letzteres ist der Fall bei Schock (bei dem das Blut die Tendenz hat, sich in der Körpermitte zu sammeln), Blutverlust infolge von Operationen, Verletzungen oder Anämie und bei Verschluß der Halsschlagadern. Der natürliche Schlaf führt zu einer Herabsetzung der analytischen Tätigkeit, die aber nicht sehr tief oder ernst ist. Mit Hilfe dianetischer Therapie kann jedes Erlebnis, das während des Schlafes auftrat, leicht wieder hervorgeholt werden.

Das analytische Vermögen kann also, wie wir jetzt sehen, auf vielerlei Art ausgeschaltet werden, und die Ausschaltung kann mehr oder weniger stark sein. Verbrennt man sich den Finger an einer Zigarette, so ist der Schmerz kurz und die Verminderung des analytischen Vermögens nur gering. Unterzieht man sich einer Operation, so kann die Ausschaltung Stunden dauern und extrem stark sein. Die Dauer und der Grad der Herabsetzung stehen zwar miteinander in Beziehung, sind aber zwei ganz verschiedene Aspekte. Das ist nicht besonders wichtig, aber doch erwähnenswert.

Wir konnten sehen, daß das Prinzip der Abstufung in der Dianetik uns schon manchen Dienst erwiesen hat. Der Grad der Verminderung des analytischen Vermögens kann in derselben Weise beschrieben werden wie das Ausmaß des Überlebenspotentials. Es kann sehr viel oder auch sehr wenig sein. Schauen wir noch einmal auf die Skala (Stufenleiter) des Überlebenspotentials, so können wir sehen, daß der Tod am unteren und die Unsterblichkeit am oberen Ende liegt. Es gibt »unendliches« Überleben. Ob es unendliche analytische Kraft geben kann, ist ein Problem der Mystik. Daß es jedoch eine eindeutige Beziehung zwischen der Tonstufe eines Menschen und dem Ausmaß an analytischer Absperrung gibt, ist wissenschaftlich erwiesen. Sagen wir es folgendermaßen: Bei einem gesunden, glücklichen und enthusiastischen Menschen kann das analytische Vermögen als hoch angesehen werden (Zone 3 und 4). Wenn ein Mensch »bewußtlos« und schmerzgequält unter den Rädern eines Lastautos liegt, dann kann man annehmen, daß das analytische Vermögen in der Zone 0 liegt. Zwischen potentiellem Überleben und analytischem Vermögen besteht ein Verhältnis. Sinkt das eine, dann sinkt auch das andere. Aus dieser Tatsache lassen sich mehr Daten folgern, als man auf den ersten Blick annehmen würde. Es handelt sich um ein sehr wichtiges Verhältnis.

Ein Engramm enthält alle Wahrnehmungen einer früher durchlebten Situation. Zwei dieser Wahrnehmungen sind körperlicher Schmerz und schmerzliche Emotion. Eine dritte ist Organempfindung, d. h. der Zustand des Organismus während des Zeitabschnitts des Engramms. Und in welchem Zustand war der Organismus, als er das Engramm empfing? Es war tiefere oder leichtere »Bewußtlosigkeit« vorhanden. Dies bedeutet, daß eine Organempfindung herabgesetzten analytischen Vermögens vorhanden war, da sich das analytische Vermögen offenbar von einem oder mehreren Organen im Körper herleitet. Wenn nun ein Engramm durch einen oder mehrere Restimulatoren reaktiviert wird – wenn also ein Mensch, der ein Engramm hat, aus seiner Um­gebung etwas aufnimmt, das den früheren engrammatischen Wahrnehmungen ähnlich ist –, dann wird der ganze Inhalt des Engramms (d. h. seine Wahrnehmungseindrücke wie etwa Wasserhähne und Worte) mehr oder weniger stark in Gang gesetzt.

Die Restimulation kann unterschiedlich stark sein. Es kann sein, daß ein Engramm durch Restimulatoren in der Umgebung des Menschen nur ein klein wenig in Gang gesetzt wird; wenn aber viele Restimulatoren vorhanden sind und der Körper sich schon in geschwächtem Zustand befindet, dann kann das Engramm mit voller Kraft zur Entfaltung kommen (was an späterer Stelle näher beschrieben wird). Aber ob das Engramm nun schwach oder stark restimuliert wird, alles in ihm kommt auf die eine oder andere Weise zur Wirkung.

Es gibt nur einen gemeinsamen Nenner aller Engramme, nur ein Merkmal, das sie alle gemeinsam haben. Ein jedes enthält das Datum, daß der Analysator mehr oder weniger ausgeschaltet ist. Wird nun ein Engramm restimuliert, so wird daher jedes Mal ein Teil des analytischen Vermögens ausgeschaltet, obwohl der Körper keinen physischen Schmerz empfangen hat. Dies geschieht, indem das Organ oder die Organe, die der Sitz des Analysators sind, in einigem Grade aus dem Schaltkreis ausgeschlossen werden.

Das ist äußerst wichtig, um den Mechanismus der Aberration zu verstehen. Es ist eine wissenschaftliche Tatsache, die bewiesen werden kann und ausnahmslos gilt. Immer geschieht folgendes: Wenn man ein Engramm erhält, wird der Analysator durch den physischen Schmerz und die Emotion ausgeschaltet. Wird das Engramm restimuliert, dann wird der Analysator mehr oder weniger ausgeschaltet, da das ein Teil der Engrammbefehle ist. Im Grunde ist das ein ganz mechanischer Vorgang: Das Engramm wird restimuliert, und die analytische Kraft wird teilweise abgeschaltet. Der Vor­gang ist ebenso unvermeidlich wie jener des Ein- und Ausschaltens von elektrischem Licht. Wenn Sie den Schalter drücken, geht das Licht aus. Die Ausschaltung des Analysators geschieht nur nicht so abrupt – es gibt Schattierungen, bevor »das Licht ganz ausgeht« –, aber es ist genauso mechanisch.

Setzt man einen Mann mittels Äther unter Narkose und verletzt ihn an der Brust, so hat er ein Engramm bekommen, weil seine analytische Kraft ausgeschaltet war, und zwar zunächst durch den Äther und dann durch den Schmerz in der Brust. Während er auf dem Operationstisch lag, zeichnete der reaktive Verstand das Klirren der Instrumente, alles Gesprochene, alle Geräusche und alle Gerüche auf. Nehmen wir noch an, daß eine Schwester einen seiner Füße festhielt, weil er ausschlug. Das ist ein vollständiges En­gramm.

Das Engramm wird durch ein ähnliches Geschehnis irgendwann später eingekeyt. Danach wird er dann jedes Mal mehr oder weniger nervös, wenn er nur ein Klirren hört, das dem Klirren der Instrumente ähnelt. Wenn er dann darauf achtet, was in seinem Körper geschieht, könnte er bemerken, daß sich sein Fuß ein wenig so anfühlt, als würde ihn jemand festhalten. Aber es ist unwahrscheinlich, daß er auf seinen Fuß achten wird, denn wenn er in dieser Hinsicht überhaupt auf etwas achtete, so wäre es der Brustschmerz, den er zu einem gewissen Grad spüren würde. Seine analytische Fähigkeit ist aber ein wenig abgedreht worden. Ebenso wie der Fuß sich festgehalten fühlt, hat der Analysator den Eindruck, durch Äther und Schmerz abgeschaltet zu sein. Durch den Restimulator (das Klirren) wurde das ganze Engramm ein wenig zur Wirkung gebracht, und reduzierte analytische Kraft ist ein Teil des En­grammbefehls.

Das ist der »Knopfdruck«-Mechanismus in Vollendung. Wenn man die hauptsächlichen Restimulatoren (Worte, Tonfall, eine bestimmte Musik, was es auch immer sein mag – Inhalte, die als Teil von Engrammen in der Bank des reaktiven Verstandes gespeichert sind) eines anderen Menschen kennen würde, so könnte man seine analytische Kraft fast völlig ausschalten, ja man könnte ihn tatsächlich bewußtlos machen.

Wir alle kennen Menschen, die uns das Gefühl geben, wir seien dumm. Dafür kann es zwei Gründe geben, jedoch stammen beide von Engrammen her. Einer davon ist die Tatsache, daß das analytische Vermögen durch jedes restimulierte Engramm teilweise abgeschaltet wird, ganz gleich, um welches Engramm es sich dabei handelt.

Bleibt die Umgebung gleich, können Engramme in chronischer Restimulation gehalten werden! Das bedeutet eine chronische Teil­aus­schaltung des analytischen Vermögens. Daß bei einem Clear Intelligenz wiedergewonnen und in so unglaublichem Maße gesteigert wird, kommt zum Teil daher, dass wörtliche Befehle in Engrammen beseitigt wurden, die besagten, daß er dumm sei, aber mehr noch daher, daß dieser chronische Zustand der Ausschaltung aufgehoben wurde.

Das ist keine Theorie; es ist eine wissenschaftlich bewiesene Tatsache, gleichsam dem »Reagenzglas« abgewonnen. Eine der im Engramm enthaltenen Wahrnehmungen ist der ausgeschaltete Zustand des Analysators; wenn das Engramm restimuliert wird, setzt es diesen Umstand mehr oder weniger wieder in Kraft.

Da Engramme im Zustand der »Bewußtlosigkeit« empfangen werden, verursachen sie also bei jeder Restimulation eine partielle »Bewußtlosigkeit«. Jemand, der ein Engramm hat (also jeder Aberrierte), braucht keinen neuen physischen Schmerz zu erleiden, um einen neuen Augenblick teilweiser »Bewußtlosigkeit« zu erleben. »Be­nommen«, »schläfrig« oder »abgestumpft« zu sein ist teilweise das Resultat einer Teilausschaltung des Analysators. »Nervös«, wütend oder auch erschrocken zu sein geht ebenfalls mit einer Teilausschaltung des analytischen Vermögens einher. Wenn ein Hypnotiseur »Erfolg« hat, so liegt das daran, daß er durch suggestives Er­wähnen von »Schlaf« irgendein Engramm restimulieren kann, in dem das Wort Schlaf sowie eine Ausschaltung des analytischen Vermögens enthalten sind. Dies ist einer der Gründe, warum Hypnose »funktioniert«.

Die ganze Gesellschaft ist jedoch wegen der Restimulierung von Engrammen einer mehr oder weniger weitgehenden Ausschaltung des analytischen Vermögens ausgesetzt.

Die Anzahl der Engramme in der reaktiven Bank eines Menschen ist jedoch für den Grad der Reduzierung seines analytischen Vermögens nicht unbedingt entscheidend. Jemand mag Engramme haben, ohne daß sie eingekeyt worden sind. Und sind sie eingekeyt worden, ist es immer noch möglich, daß er sich nicht in einer Umgebung aufhält, die besonders viele Restimulatoren liefert. Unter solchen Umständen kann er sich in einer hohen Zone des Überlebenspotentials befinden, obwohl er sehr viele Engramme hat. Und außerdem mag er sich in gewissem Maß über seine Engramme hinaus erzogen haben.

Ein Mensch aber, der eingekeyte Engramme hat und in einem Bereich mit vielen Restimulatoren lebt, ist der Restimulation und somit der Ausschaltung des analytischen Vermögens außerordentlich stark ausgesetzt. Das ist ein normaler Zustand. Hat jemand viele Engramme, die eingekeyt sind, und lebt er in einer Umgebung mit vielen Restimulatoren, so kann sein Zustand von »normal« bis »geisteskrank« schwanken. Und an einem einzigen Tag – wie im Falle des Mannes, der momentane Wutausbrüche hat, oder der Frau, die in Apathiezustände verfällt – kann der Zustand eines Menschen von normal zu geisteskrank und wieder zurück zu normal wechseln. Wir ver­wenden hier das Wort »geisteskrank« in der Bedeutung äußerster Unvernunft. Es gibt also sowohl zeitweilige als auch chronische Gei­steskrankheit.

Der Gerichtshof, der über die traurige Frage entscheidet, ob ein Mörder als normal oder geistesgestört eingestuft werden soll, verhält sich selber unvernünftig. Natürlich war der Mann geisteskrank, als er den Mord beging. Nun fragen die Richter aber danach, ob der Mann chronisch geisteskrank sei. Doch das hat mit der Sache wenig zu tun. Wenn ein Mann in der Vergangenheit einmal geisteskrank genug geworden ist, um zu morden, dann wird er auch in der Zukunft wieder geisteskrank genug werden, um erneut zu morden. Chronisch bedeutet also entweder einen chronischen Zyklus oder einen Dauerzustand. Das Gesetz sagt, geistige Gesundheit sei »die Fähigkeit, das Richtige vom Falschen zu unterscheiden«. Wenn der Mensch einem Mechanismus unterliegt (und das trifft auf alle Menschen zu), der ihn in der einen Minute vernünftig und in der nächsten restimuliert sein läßt, so kann mit Ausnahme eines Clears niemand in der Gesellschaft für fähig gehalten werden, Richtig und Falsch immer zu unterscheiden. Diese Tatsachen sind ganz unabhängig davon, was dem Gesetz nach mit »richtig« und »falsch« (bzw. mit »Recht« und »Unrecht«) gemeint ist.

Hier wird das Auf und Ab eines Aberrierten in Bezug auf seinen Geisteszustand sichtbar. Alle Aberrierten haben Engramme (die normale Anzahl liegt vermutlich bei einigen hundert pro Person). Die Menschen haben ihrem analytischen Vermögen nach eine umfassende Entscheidungsauswahl und können sich mit den Begriffen Richtig und Falsch sogar auf philosophischer Ebene befassen. Bei aberrierten Menschen besteht aber immer die Gefahr, daß die Engrammbank restimuliert wird. Der am Dienstag »geistig gesunde« Aberrierte mag am Mittwoch ein Mörder sein, wenn genau die Situation eintritt, die genau das passende Engramm reaktiviert. Die Handlungen eines Clears in einer gegebenen Situation sind nicht genau vorhersagbar, da er eine enorme Vielfalt an Wahlmöglichkeiten hat. Das Verhalten eines Aberrierten ist jedoch ganz unmöglich vorherzusa­gen, weil erstens niemand weiß, welche Engramme er in seiner En­grammbank hat, nicht einmal er selbst; weil es zweitens ein Zufall ist, welche Situation welche Restimulatoren bereithält und weil es sich drittens gar nicht feststellen läßt, welche Wahl er auf der Ebene des reaktiven Verstandes unter den Faktoren in den Engrammen treffen wird.

Die Vielfalt an Verhaltensmöglichkeiten, die sich aus diesen grundlegenden Mechanismen ergeben, ist so groß, daß es kein Wunder ist, wenn der Mensch von manchen Philosophien als ziemlich hoffnungsloser Fall betrachtet wurde.

Wenn die Engrammbank auf der Ebene der Zellen eingespeichert ist, könnte man theoretisch vermuten, die Zellen hätten sich dagegen abgesichert, daß der Analysator bei der Vorantreibung des Lebens – einer Sache, bei der es um Leben und Tod geht – zu kühn wird. Man könnte davon ausgehen, daß die Zellen sich daher alle Daten sorgfältig aufgezeichnet haben, die in den Zeitabschnitten vorhanden waren, in denen körperlicher Schmerz und Emotion zu »Bewußtlosigkeit« führten oder in »Bewußtlosigkeit« enthalten waren. Würden dann irgendwelche ähnlichen Daten in der Umwelt auftau­chen, könnten die Zellen aufmerksam werden und angesichts einer großen Anzahl von Restimulatoren den Analysator ausschalten und ihrerseits nach dem Prinzip der Reizreaktion die Kontrolle ausüben. Darin liegt ein – wenn auch grober – Sicherheitsfaktor. Wenn der Organismus eine Periode von »Bewußtlosigkeit« überlebt hat, könnten die Zellen natürlich meinen, daß es noch einmal zum Überleben führen wird, wenn unter Umständen, die eine ähnliche Bedrohung darzustellen scheinen, nach den alten Daten und Handlungen verfahren wird. Was für den Großvater gut genug war, ist gut genug für mich. Was gut genug war beim Unfall mit einem Bus, ist gut genug für das Fahren in einem Bus.

Dieses schwachsinnige »Denken« ist für den reaktiven Verstand typisch. Er ist extrem konservativ. Am laufenden Band kapiert er nicht, worum es geht, und übersieht wichtige Daten. Er überlädt den Körper mit Schmerz und ist ein Strudel von Verwirrungen. Gäbe es für jede Situation nur ein Engramm, würde er vielleicht noch damit durchkommen. Doch kann es zehn Engramme mit ähnlichen Daten geben (eine Engramm-Kette), und dennoch mögen die Daten einander so widersprechen, daß bei einem neuen Notfall, der die Restimulatoren der Kette aufweist, keine passende frühere Verhaltensweise angeboten werden kann, um der Situation zu begegnen.

Der unbestimmte Faktor ist offensichtlich die Sprache. Falls das ganze Problem in den Zellen begründet ist (zur Erinnerung: dieser Teil ist auf Daten beruhende Theorie, die in dem Versuch gegeben wird, die Vorgänge zu erklären; und eine Theorie kann man ändern, ohne an der wissenschaftlichen Brauchbarkeit der Fakten etwas zu ändern), so kann dazu gesagt werden, daß Zellen Sprachen wahrscheinlich nicht besonders gut verstehen. Wenn die Zellen Sprachen verstünden, würden sie nicht derartige »Lösungen« entwickeln.

Betrachten wir als Beispiel zwei Engramme, die mit Baseballschlägern zu tun haben: Einmal wird ein Baseballspieler mit einem Schläger auf den Kopf geschlagen und betäubt, während jemand schreit: »Lauf, lauf, lauf!« Ein anderes Mal wird der Mann in derselben Umgebung mit dem Schläger k.o. geschlagen, während jemand brüllt: »Bleib da, du bist sicher!« Was tut er nun, wenn er einen Baseballschläger hört, riecht oder sieht oder wenn er diese Worte hört? Laufen oder dableiben? Für beide Handlungen hat er einen ähnlichen Schmerz auf Lager. Was geschieht wirklich? Er bekommt Kopfweh. So etwas nennt man einen Konflikt. Das ist Beklemmung. Und die Beklemmung kann wirklich sehr akut werden – auf rein mechanische Weise –, wenn man neunzig Engramme hat, die einen nach Süden ziehen, und neunundachtzig, die einen nach Norden ziehen. Geht man nach Norden oder nach Süden? Oder bekommt man einen »Nervenzusammenbruch«?

Der reaktive Verstand ist etwa so »gescheit« wie ein Grammophon. Man setzt die Nadel auf die Platte, und die Platte wird abgespielt. Der reaktive Verstand setzt einfach nur die Nadel auf. Wenn er versucht, gleich mehrere Platten auszuwählen und alle auf einmal zu spielen, dann spielt sich etwas ab.

Durch absichtliche Einrichtung, ein Vorsehen beim Entwurf oder ein Umgehen bei der Evolution – in der das alte, nutzlose Instrument immer noch gebaut wird – gelang es den Zellen, die Engrammbank ziemlich gut zu verbergen. Der analytische Verstand ist der Sitz des menschlichen Bewußtseins. Im Zustand der »Bewußtlosigkeit« aber ist sein analytischer Verstand außerstande, die hereinkommenden Daten zu überwachen; und diese Daten sind dann in den Standardbanken (wie wir sie in unserem Vergleichsschema nennen) nicht zu finden. Alles, was während der »Bewußtlosigkeit« hereinkam, ging also am Bewußtsein vorbei. Und nachdem das Bewußtsein einmal umgangen wurde, kann es sich ohne die dianetischen Verfahren die betreffenden Daten nicht zurückrufen, denn es gibt keinen Kanal für den Rückruf.

Das Engramm dringt ein, wenn das Bewusstsein ausgeschaltet ist. Danach wirkt es direkt auf den Organismus ein. Nur durch dianetische Therapie werden die Daten des Engramms dem analytischen Verstand zugänglich (und die Beseitigung des Engramms erfolgt nicht dadurch, daß der Analysator überhaupt mit ihm in Berührung kommt, im Gegensatz zu der alten Vorstellung, daß etwas dadurch geheilt wird, daß man es »erkennt«: Versuchen Sie, ein Engramm zu »erkennen«, so werden Sie sich ohne die dianetische Technik unversehens in Schwierigkeiten befinden). Das Engramm wird vom Zellkörper empfangen. Natürlich könnte der reaktive Verstand auch die allertiefste Stufe des analytischen Vermögens sein, was allerdings nichts an der wissenschaftlichen Tatsache ändern würde, daß sich das eingekeyte Engramm so verhält, als stände es in eingelöteter Verbindung zum Lebensfunktionsregler, zur organischen Koordination und zur Grundebene des analytischen Verstandes selbst. Mit »eingelötet« ist eine Dauerverbindung gemeint. Das Einkeyen bedeutet also den Anschluß des Engramms als Teil der Arbeitsmaschinerie des Körpers. Ein analytischer Denkprozeß hingegen ist nicht permanent angeschlossen, sondern kann willentlich vom Analysator in den Schaltkreis ein- oder ausgekoppelt werden. Weil das nicht für das Engramm gilt, wird hier der Ausdruck »eingelötet« verwendet.

Der analytische Verstand legt einen Schablonenablauf fest, der nach Reizreaktionsmustern reibungslos und gut funktionieren wird, wann immer er für den Organismus den größten Nutzen bringt. Ein Engramm dagegen ist eine Verhaltensschablone in Form eines kompletten Pakets, das »bleibend« an die Schaltkreise angeschlossen ist (d. h. es bleibt in dieser Weise angeschlossen, wenn nicht dianetische Therapie angewandt wird). Es tritt ähnlich einem Schablonenablauf in Funktion, jedoch ohne jegliche Einwilligung des analytischen Verstandes.

Da der analytische Verstand selbst auf verschiedene Weise durch das Engramm beeinflußt wird – er wird geschwächt und unterliegt dem Einfluß der positiven Suggestionen aus dem Engramm –, ist er unfähig, für das Verhalten des engrammgesteuerten Organismus einen wirklich stichhaltigen Grund zu finden. Deswegen erfindet er einen Grund, denn zu seinen Aufgaben gehört auch, dafür zu sorgen, daß der Organismus immer recht hat. Ebenso wie der junge Mann mit der Jacke in dem geschilderten Hypnoseexperiment mit einer Reihe von dummen Erklärungen kam, die das Aus- und Anziehen der Jacke rechtfertigen sollten, rechtfertigt auch der analytische Verstand die Handlungen des Körpers, sobald er merkt, daß der Körper unver­nünftige Handlungen begeht (einschließlich Gesprochenes), für die es keine Erklärung zu geben scheint. Das Engramm kann all die verschiedenen Abläufe, die mit dem Leben einhergehen, diktieren. Es kann Glauben, Meinungen, Gedankengänge oder auch ihr Fehlen diktieren sowie Handlungen aller Art. Es kann Zustände herstellen, die durch ihre Kompliziertheit sowie durch ihren Stumpfsinn bemerkenswert sind. Ein Engramm kann all das diktieren, was es enthält, und Engramme können alle Wortkombinationen der ganzen Sprache enthalten. Der analytische Verstand ist dann angesichts unvernünftigen Verhaltens oder irrationaler Überzeugungen gezwungen, die Handlungen und Zustände des Organismus zu rechtfertigen, und ebenso seine eigenen merkwürdigen Schnitzer. Das ist rechtfertigendes Denken.

Es gibt also drei Arten des Denkens, zu denen der Organismus fähig ist: a) das analytische Denken, das vernünftig ist und modifiziert wird durch Erziehung und Gesichtspunkt; b) das rechtfertigende Denken, also analytisches Denken, das versucht, Reaktionen zu erklären; c) das reaktive Denken, das völlig davon ausgeht, daß jeder Engramminhalt jedem anderen Inhalt des Engramms gleicht und diese wiederum allen von der Umwelt gelieferten Restimulatoren und allen Dingen, die mit diesen Restimulatoren zu tun haben, gleichen.

Wir haben alle schon einmal erlebt, wie jemand einen Schnitzer machte und dann eine Erklärung lieferte, warum er gerade diesen Schnitzer gemacht hat. Das ist rechtfertigendes Denken. Der Schnitzer erfolgte aufgrund eines Engramms, wenn nicht Erziehung oder Gesichtspunkt dahinterstanden. Der analytische Verstand hatte dann den Schnitzer zu rechtfertigen, um dafür zu sorgen, daß der Organismus im Recht war und seine Berechnungen stimmten.

Nun gibt es noch zwei weitere Umstände, die durch Engramme bewirkt werden können. Der eine ist die Dramatisation, der andere die Valenz.

Nehmen Sie ein schimpfendes und tobendes Kind, einen Mann in einem wilden Wutausbruch oder Leute in einer ganzen Reihe von unvernünftigen Handlungen. Was diese Menschen durchlaufen, sind Dramatisationen. Sie stellen sich ein, wenn ein Engramm gründlich restimuliert wird, so gründlich, daß es durch den Einlötungsaspekt die Steuerung des Organismus übernimmt, und zwar ganz oder nur teilweise; dementsprechend gibt es unterschiedliche Grade der Dramatisation. Bei voller Dramatisation läuft das Engramm Wort für Wort ab, und der Betreffende gleicht einem Schauspieler, der wie eine Marionette seine vorgeschriebene Rolle spielt. Man kann jeman­dem neue Engramme geben, die diese alten in den zweiten Rang verdrängen. (Der Bestrafungskomplex der Gesellschaft zielt direkt darauf ab, eine Anti-Engramm-Erziehung zu verabreichen.)

Dramatisation ist Überlebensverhalten – entsprechend der närrischen Denkweise des reaktiven Verstandes –, das von der Voraussetzung ausgeht, der Organismus habe eine »ähnliche« Situation wegen eines solchen Verhaltens überlebt.

Die Frau, die niedergeschlagen und getreten wurde, würde ihr Engramm möglicherweise so dramatisieren, daß sie ganz genau dieselben Worte sagt und dieselben Handlungen ausführt, die ihr gesagt beziehungsweise angetan wurden. Ihr Opfer könnte ihr Kind oder eine andere Frau sein. Es könnte natürlich auch derjenige sein, der der Urheber ihres Engramms ist, falls sie stark genug wäre, ihn zu besiegen. Daß ihr das Engramm anhaftet, bedeutet jedoch nicht unbedingt, daß sie es benutzen wird. Die Frau hat vielleicht hundert andere Engramme, die sie benutzen kann. Wenn sie aber eines dra­matisiert, dann ist es, als würde das eingelötete Engramm eine Marionette übernehmen. Der Rest ihrer analytischen Kraft mag allerdings der Abänderung des vorgeschriebenen Verhaltensmusters gewidmet sein. Daher kann sie entweder eine identische oder aber eine lediglich ähnliche Dramatisation durch­führen.

Der Dramatisationsaspekt von Engrammen ist Überleben rein nach der Devise »Kampf bis aufs Messer«. Diese Erscheinung hat Beobachter zu der Annahme veranlaßt, daß »Kampf bis aufs Messer« ein Hauptgesetz sei.

Das Engramm kam herein, indem es die Vernunft und die Standard-Gedächtnisbanken umging. Nun befindet es sich im Organismus, jedoch weiß der Organismus auf bewußter Ebene nichts davon. Durch ein Erlebnis auf bewußter Ebene wird es eingekeyt. Dann kann es dramatisiert werden. Und weit davon entfernt, durch Abnutzung schwächer zu werden, sitzt das Engramm umso fester im Schaltkreis, je öfter es dramatisiert wird. Die Muskeln, die Nerven, alles muß gehorchen.

Überleben nach dem Motto: »Kampf bis aufs Messer!« Die Zellen haben sich abgesichert. Damit kommen wir zur Valenz. Valens bedeutet lateinisch »stark, kraftvoll«. Valenz ist ein guter Ausdruck, weil er die zweite Hälfte des Wortes »Ambivalenz« (Kraft in zwei Richtungen) bildet und in jedem guten Wörterbuch zu finden ist. Es ist ein guter Ausdruck, weil er (auch wenn das Wörterbuch es nicht so meinte) die Absicht des Organismus beschreibt, wenn dieser ein Engramm dramatisiert. Multivalenz würde »viele Kräfte« bedeuten. Dies umfaßt das Phänomen der gespaltenen Persönlichkeit, also die merkwürdigen Persönlich­keitsunterschiede, die manche Menschen in unterschiedlichen Situationen an den Tag legen. In der Dianetik bedeutet »Valenz«: die Persönlichkeit eines der Akteure in einem Engramm.

Im Falle der Frau, die niedergeschlagen und getreten wurde, waren zwei Valenzen vorhanden: sie selbst und ihr Mann. Wäre noch eine andere Person zugegen gewesen, dann hätte, sofern sich diese irgendwie beteiligt hätte, das Engramm drei Valenzen enthalten: sie selbst, ihren Mann und die dritte Person. Bei einem Busunglück, bei dem zehn Personen sprechen oder handeln, gäbe es bei der »bewußtlosen« Person ein Engramm mit elf Valenzen: sie selbst als die »bewußtlose« Person und die zehn, die sprachen oder handelten.

Das Engramm der von ihrem Mann geschlagenen Frau enthält nur zwei Valenzen. Wer hat gewonnen? Hier begegnen wir dem Gesetz des »Kampfes bis aufs Messer«, der Erscheinungsform des Überlebens in Engrammen. Wer hat gewonnen? Der Ehemann. Deswegen wird der Ehemann dramatisiert werden. Die Frau hat nicht gewonnen. Sie wurde verletzt. Aha! Wenn die betreffenden Restimulatoren auftauchen, muß man also einfach handeln wie der Gewinner, der Ehemann. Man muß sprechen wie er, man muß sagen, was er sagte, und tun, was er tat. Er hat überlebt. »Sei wie er!« sagen die Zellen.

Folglich dramatisiert die Frau die gewinnende Valenz, wenn durch irgendeine Handlung – nehmen wir an, von Seiten ihres Kindes – dieses Engramm bei ihr restimuliert wird. Sie schlägt das Kind zu Boden und tritt es. Sie sagt zu ihm, daß es ein Betrüger sei, daß es nichts tauge und daß es ständig seine Meinung ändere.

Was geschähe, wenn sie sich selbst dramatisierte? Dann müßte sie hinfallen, einen Stuhl dabei umreißen, ohnmächtig werden und glauben, daß sie eine Betrügerin sei, daß sie nichts tauge und ständig ihre Meinung ändere, und sie müßte den Schmerz von allen Schlägen spüren!

»Sei du selbst« ist ein Rat, der beim reaktiven Verstand auf taube Ohren stößt. Hier sehen Sie das Schema: Jedes Mal, wenn der Organismus durch das Leben mißhandelt wird, hat sich dem reaktiven Verstand zufolge der analytische Verstand geirrt. Der reaktive Verstand wirft dann den analytischen Verstand aus dem Schaltkreis hinaus, und zwar im Verhältnis zur Menge der gegebenen Restimulation (Gefahr). Der reaktive Verstand läßt den Körper reagieren, als sei dieser die Person, die in der früheren, jedoch ähnlichen Situation, in der der Organismus verletzt wurde, gewonnen hat.

Was geschieht aber nun, wenn die »Gesellschaft«, der Ehemann oder irgendeine andere äußere Quelle dieser Frau, die das Engramm dramatisiert, sagt, sie müsse der Wirklichkeit ins Auge sehen? Das wäre unmöglich. Die Wirklichkeit bedeutet, sie selbst zu sein, aber sie selber wird verletzt! Was nun, wenn irgendwelche Personen oder Kräfte in ihrer Umwelt die Dramatisation brechen? Wenn also die Gesellschaft gegen die Dramatisation Einspruch erhebt und nicht zuläßt, daß sie tritt, brüllt und schreit? Das Engramm ist immer noch eingelötet. Der reaktive Verstand zwingt sie, die gewinnende Valenz zu sein. Nun kann sie diese aber nicht sein. Je mehr sie in ihre eigene Rolle kommt, umso mehr »straft« sie der reaktive Verstand, indem er sie mehr und mehr in den Zustand der anderen Valenz in dem Engramm bringt. Schließlich starb diese Valenz ja nicht. Und der Schmerz der Schläge setzt ein, die Frau glaubt, eine Betrügerin zu sein, sie glaubt, nichts zu taugen und ständig ihre Meinung zu ändern. Mit anderen Worten: sie ist in der verlierenden Valenz. Fortgesetztes Brechen der Dramatisation wird einen Menschen genauso sicher krank machen, wie es sicher ist, daß es neben sonnigen auch trübe Tage gibt.

Noch bevor er zehn Jahre alt ist, sammelt ein Mensch in seinen Engrammen ein halbes Hundert Valenzen an. Welche waren die ge­winnenden Valenzen? Sie werden feststellen, daß er sie jedes Mal benutzt, wenn ein Engramm restimuliert wird. Persönlichkeitsspaltung in zwei oder mehr Persönlichkeiten? Machen Sie fünfzig bis hundert daraus. In der Dianetik können Sie sehen, wie sich bei Menschen Valenzen ein- und ausschalten und mit einer Geschwindigkeit gewechselt werden, die einen Verwandlungskünstler mit Ehrfurcht erfüllen würde.

Beobachten Sie die immense Komplexität des menschlichen Verhaltens. Wenn man die Absicht hätte, das Problem der Aberration durch systematische Katalogisierung aller Beobachtungen zu lösen, ohne ihren eigentlichen Ursprung zu kennen, käme man auf ebenso viele unterschiedliche Geisteskrankheiten, Neurosen, Psychosen, Zwänge, Verdrängungen, Zwangsvorstellungen und Unfähigkeiten, wie es Wortkombinationen in unserer Sprache gibt. Der Versuch, durch Klassifizierung Grundlagen zu entdecken, ist niemals gute Forschungsarbeit gewesen. Und die unbegrenzten komplexen Abirrungen, die durch Engramme möglich sind (wobei die unter strengsten Bedingungen durchgeführten, mit aller Gründlichkeit kontrollierten Experimente gezeigt haben, daß Engramme genau solche Verhaltensweisen bewirken können, wie sie hier aufgeführt sind), machen den gesamten Katalog aberrierten menschlichen Verhaltens aus.

Es gibt noch ein paar andere grundsätzliche und elementare Wirkungen, die auf Engramme zurückzuführen sind. Diese werden eigens behandelt werden: Parasitäre Schaltkreise (engl. Circuits), emotionaler Schock und psychosomatische Krankheiten. Mit den wenigen hier dargelegten Grundelementen kann das Problem der Aberration gelöst werden. Diese Grundelemente sind einfach, und auf sie sind all die Schwierigkeiten zurückzuführen, die Einzelmenschen und ganze Gesellschaften erlebt haben. Die Anstalten für Geisteskranke, die Gefängnisse für Verbrecher, die Kasernen und Waffen­lager, ja sogar der Staub zerfallener Zivilisationen – all das gibt es, weil diese elementaren Dinge nicht verstanden wurden.

Die Zellen entwickelten sich zu einem Organismus und schufen in der Evolution das, was einmal ein notwendiger Zustand der Bewußtseinsfunktion war. Der Mensch hat sich soweit heranentwickelt, daß er sich jetzt die Mittel zur Überwindung dieses evolutionären Schnitzers schafft. Die Untersuchung des Clears beweist, daß der Mensch Engramme nicht mehr nötig hat. Er befindet sich jetzt in der Position, einen selbständigen, künstlichen Evolutionsschritt voll­bringen zu können. Die Brücke über die Schlucht ist gebaut.