Zweck und einziges Angriffsziel der Therapie ist die Beseitigung des Inhalts der reaktiven Engrammbank. Bei einem Release ist der grösste Teil der emotionellen Belastung aus dieser Bank getilgt, bei einem Clear ist der gesamte Inhalt beseitigt worden.
Die Anwendung einer Wissenschaft ist eine Kunst. Das trifft auf jede Wissenschaft zu. Die Wirksamkeit ihrer Anwendung hängt von Verständnis, Geschick und Fähigkeit desjenigen ab, der sie anwendet. Der Chemiker hat es mit der Wissenschaft Chemie zu tun, und doch ist der Beruf des Chemikers eine Kunst. Der Ingenieur mag sich auf die Präzision aller Naturwissenschaften stützen, und doch ist die Ausübung des Ingenieurberufs eine Kunst.
Wenn man die grundlegenden Axiome einer Wissenschaft verstanden hat, kann man bestimmte Verfahrensregeln aufstellen. Über diese Verfahrensregeln hinaus braucht man Verständnis, Geschick und Fertigkeit für die Anwendung.
Die Dianetik ist ausserordentlich einfach. Das bedeutet aber nicht, dass Fälle nicht ausserordentlich kompliziert sein können. Um in diesem Buch für jeden möglichen Fall ein Beispiel zu geben, wären so viele Milliarden Fälle nötig, wie die Erde Bewohner zählt. Denn jeder Mensch unterscheidet sich von jedem anderen Menschen ausserordentlich. Er hat seine eigene Persönlichkeit, und seine Erfahrungen unterscheiden sich von denen anderer. Die Dynamiken sind von Mensch zu Mensch verschieden stark. Der einzige gemeinsame Faktor ist der Mechanismus der reaktiven Engrammbank, er allein ist immer gleich. Der Inhalt dieser Bank ist von Mensch zu Mensch verschieden, sowohl in Quantität als auch Intensität. Die Arbeitsweise der Bank jedoch, und damit die grundlegenden Mechanismen, mit denen sich die Dianetik befasst, ist bei allen Menschen gleich; das war zu allen Zeiten so und wird in aller Zukunft so sein, bis sich der Mensch zu einem anderen Organismus entwickelt haben wird.
Die Zielscheibe ist das Engramm. Es ist auch die Zielscheibe des analytischen Verstandes und der Dynamiken des Patienten, während er versucht, sein Leben zu leben – und es ist die Zielscheibe des analytischen Verstandes und der Dynamiken des Auditors. So eingekreist und attackiert, gibt der reaktive Verstand seinen Vorrat an Engrammen her.
Folgendes sollte jedem Auditor äusserst klar sein: In dem Masse, wie er als Auditor nachlässig wird und die Zielscheibe vergisst, häuft er zeitraubende Schwierigkeiten an. Sobald er den Irrtum begeht zu glauben, die Person, der analytische Verstand oder die Dynamiken des Patienten leisteten Widerstand und versuchten die Behandlung zu beenden oder aufzugeben, hat er den grundlegenden und grössten Fehler in der dianetischen Praxis begangen. Fast alles, was verkehrt läuft, kann auf diesen Fehler zurückgeführt werden. Es kann nicht nachdrücklich genug gesagt werden, dass der analytische Verstand und die Dynamiken des Patienten dem Auditor nie, nie, nie Widerstand leisten. Der Auditor ist kein Gegner. Er kümmert sich um keinerlei Widerstand ausser um den, der durch die Engramme des Patienten (und manchmal durch seine eigenen) erzeugt wird.
Der Auditor ist nicht dazu da, der Antreiber oder Ratgeber des Patienten zu sein. Er ist nicht dazu da, sich von den Engrammen des Patienten einschüchtern oder sich von ihren Erscheinungsformen ängstigen zu lassen. Er ist da, um zu auditieren – nur um zu auditieren. Wenn er sich dazu getrieben fühlt, gegenüber dem Patienten herrisch aufzutreten, dann sollte er den Stuhl mit der Couch vertauschen, denn in Herrschsucht machen sich seine eigenen Engramme geltend. Gerade darum wird auch das Wort Auditor und nicht »Leiter« oder »Therapeut« verwendet, weil die Therapie eine gemeinsame Anstrengung des Auditors und des Patienten ist, mit dem Gesetz der Affinität am Werk.
Der Patient kann seine eigenen Aberrationen nicht sehen. Das ist einer der Gründe für die Existenz des Auditors. Der Patient muss gestützt werden, damit er dem auftauchenden Unbekannten in seinem Leben ins Auge sehen kann. Das ist ein weiterer Grund für die Existenz des Auditors. Der Patient würde es nicht wagen, an die Welt, die in ihn hineingeraten ist, heranzugehen und der Welt draussen den Rücken zuzukehren, wenn er keinen »Wachtposten« hätte. Das ist ein weiterer Grund für die Existenz des Auditors.
Die Aufgabe des Auditors besteht darin, den Patienten während der Therapie als Person zu schützen, die Gründe zu berechnen, warum der Verstand des Patienten nicht in die Engrammbank hinabgelangen kann, den Mut des Patienten zu stärken und seine Engramme zu fassen zu bekommen.
In diesem Augenblick ist Affinität am Werk, die sich in drei Richtungen entfaltet. Ich bin mit dem Auditor in Affinität: Ich sage ihm alles, was in der Dianetik entdeckt wurde und praktisch angewandt wird, und ich möchte, dass er Erfolg hat. Der Auditor ist mit dem Patienten in Affinität: Er möchte, dass der Patient Engramme in Angriff nimmt. Der Patient ist mit dem Auditor in Affinität, weil er seine Lage durch minimale Arbeit verbessern wird und mit der Beharrlichkeit des Auditors, die zu seiner eigenen hinzukommt, zum Release oder Clear werden wird. Es sind noch mehr Affinitätsbeziehungen im Spiel, ein ausgedehntes Netz. Es handelt sich um eine Gemeinschaftsbemühung.
Die Engrammbank ist die Zielscheibe, nicht der Patient. Wenn der Patient flucht und klagt und weint und bittet, dann sprechen die Engramme. Nach einer Weile werden die Engramme, die ihn fluchen, klagen, weinen und bitten lassen, entladen und umgelagert sein. Unabhängig davon, in welchem Zustand sich der Patient befindet, weiss er sehr wohl, dass der Vorgang nötig ist. Wenn der Auditor von so kurzem Verstand ist, dass er irrigerweise glaubt, dieses Fluchen oder Klagen sei gegen ihn persönlich gerichtet, wäre es besser für ihn, sich selbst dianetisch behandeln zu lassen.
Das einzige, was Widerstand leistet, ist das Engramm! Wenn es restimuliert wird, wirkt es auf den analytischen Verstand des Patienten ein und schwächt diesen ab, und der Patient legt eine gemilderte Dramatisierung an den Tag. Kein Auditor, der nur ein Fünkchen Intelligenz besitzt, wird je durch den Preclear in persönliche Gefahr geraten. Wenn der Auditor allerdings Hypnose anwenden und versuchen will, körperlich schmerzhafte Engramme aus späteren Lebensperioden (z. B. Operationen) zu behandeln, obwohl es frühere gibt, so kann es sein, dass er selbst zum Angriffsziel wird. Aber dann hat er etwas sehr falsch gemacht. Wenn der Auditor plötzlich übermoralisch wird und dem Preclear Lehren erteilt, so kann er sich unangenehm verstricken; aber auch in diesem Fall hat er etwas Grundfalsches getan. Wenn der Auditor gegenüber dem Patienten ungeduldig wird und ihn anfährt, kann er zum Angriffsziel werden; aber auch in diesem Fall hat er einen grundlegenden Fehler begangen.
Die Zielscheibe ist die Engrammbank. Es ist die Aufgabe des Auditors, die Engrammbank des Preclears anzugreifen. Es ist ebenso die Aufgabe des Preclears, diese anzugreifen. Den Preclear zu attackieren hiesse, seiner Engrammbank zu erlauben, ihn anzugreifen.
Wir wissen bereits, dass es fünf Methoden gibt, mit einem Engramm »umzugehen«. Vier davon sind falsch. Angesichts eines Engramms zu resignieren, ist Apathie; es zu ignorieren, ist Nachlässigkeit; es zu meiden oder vor ihm zu fliehen, ist Feigheit. Angriff, nur der Angriff löst das Problem. Es ist die Pflicht des Auditors, dafür zu sorgen, dass der Preclear ständig seine Engramme angreift und nicht den Auditor oder die äussere Welt. Würde der Auditor den Preclear angreifen, so wäre das fehlgeleitete Schiesskunst und irrige Logik.
Die Engrammbank wird zunächst am besten durch Entladen ihrer emotionellen Ladung angegriffen, wo immer man mit ihr in Kontakt kommen kann. Danach greift man sie am besten an, indem man von dem Preclear, der sich in Reverie befindet, in Erfahrung bringt, was seiner Meinung nach mit ihm geschähe, wenn er gesund würde, wenn es ihm besser ginge, wenn er etwas herausfände usw. Und dann ist es – und zwar immer – höchst wichtig, auf jede nur mögliche Weise das früheste Ereignis von Schmerz oder Bewusstlosigkeit im Leben des Preclears zu kontaktieren. Das ist das Basik-Basik. Sobald der Auditor das Basik-Basik gefunden hat, wird sich der Fall rasch lösen lassen. Wenn der reaktive Verstand des Preclears das Basik-Basik abblockt, dann sollte der Auditor mehr reaktive Emotion entladen, herausfinden, welche reaktive Berechnung gerade ihre Macht ausübt, und es noch einmal versuchen. Schliesslich wird er an das Basik-Basik gelangen. Das ist wichtig – und das ist alles, was bei einem Preclear wichtig ist.
Zielt die Therapie nur auf den Release-Zustand ab, besteht die Aufgabe darin, Emotion und so viele frühe, leicht hervortretende Engramme wie möglich zu entladen. Ist Release das Ziel, kann der Abbau von Locks eingeschlossen werden. Wird auf Klärung abgezielt, sollten Locks hingegen nur dann berührt werden, wenn sie zum Basik-Basik führen.
Es gibt drei Stufen der Heilung. Auf der höchsten Stufe gelingt es, die Aufgabe wirksam zu bewältigen. Es dem Patienten bequem zu machen, liegt darunter. Darunter wiederum liegt Mitgefühl. Kurz: wenn Sie für einen Mann mit gebrochenem Rückgrat nichts tun können, so können Sie es ihm wenigstens bequem machen. Wenn nicht einmal das mehr möglich ist, können Sie mit ihm mitfühlen.
Für Bemühungen auf den unteren zwei Stufen besteht in der Dianetik keinerlei Grund. Die Aufgabe kann bewältigt, der Erfolg bewerkstelligt werden. Es dem Patienten bequem zu machen, ist Zeitverschwendung. Ihm Mitgefühl zu schenken, kann den ganzen Fall durcheinander bringen, denn seine schlimmsten Engramme werden Mitgefühlsengramme sein, und Mitgefühl vermag sie übermässig zu restimulieren. Der Auditor, der sich im »Händchenhalten« ergeht – gleichgültig, wie sehr es am Platze zu sein scheint –, vergeudet Zeit und verzögert die Klärung. Übertriebene Härte ist auch nicht angebracht. Eine freundliche, gutgelaunte, optimistische Haltung erledigt alles. Manchmal braucht der Preclear ein Lächeln. Aber er hat schon öfter »Händchenhalten« bekommen, als sein analytischer Verstand verarbeiten konnte. Das Engramm seiner chronischen psychosomatischen Krankheit enthält Mitgefühl.
Jeder Auditor muss den Auditorenkodex bestens kennen und nach ihm leben. Das hört sich vielleicht an wie »Die Blütezeit des Rittertums« oder »Die dreizehn Rituale, um himmlischen Segen und das Nirwana zu erreichen«; es ist aber nichts dergleichen. Der Auditor, der ihn nicht auf seine Patienten anwendet, wird schwer zu kämpfen haben. Die Regeln dienen nicht der Annehmlichkeit des Preclears, sie dienen allein dem Schutz des Auditors.
Der Auditorenkodex sollte nie verletzt werden. Die dianetische Praxis hat gezeigt, dass allein die Verletzung dieser Grundregeln den Erfolg der gemeinsamen Bemühungen von Auditor und Patient vereiteln kann.
Der Auditor soll in seiner Behandlung aller Preclears jederzeit höflich sein.
Der Auditor soll freundlich sein und keiner Anwandlung von Grausamkeit oder strafender Absicht gegen Preclears nachgeben.
Der Auditor soll in der Therapie ruhig sein und während der eigentlichen Sitzung nichts äussern, was nicht unbedingt zur Dianetik gehört.
Der Auditor soll vertrauenswürdig sein, sein gegebenes Wort halten, seine Verabredungen und seine Arbeitsverpflichtungen pünktlich einhalten und nie irgendein Versprechen geben, wenn er im geringsten befürchten muss, es nicht einhalten zu können.
Der Auditor soll mutig sein, soll niemals den Rückzug wählen oder die Grundlagen der Therapie verletzen, nur weil der Preclear es von ihm erwartet.
Der Auditor soll geduldig bei seiner Arbeit sein und angesichts noch so ausgefallener Handlungen oder Äusserungen des Preclears niemals unruhig oder ärgerlich werden.
Der Auditor soll gründlich sein und nie dulden, dass sein Arbeitsplan ins Wanken gerät oder eine Ladung gemieden wird.
Der Auditor soll beharrlich sein und niemals aufgeben, bevor er Ergebnisse erzielt hat.
Der Auditor soll verschwiegen sein und dem Patienten niemals irgendwelche Informationen geben, die dessen Fall betreffen, auch keine Datenauswertungen und keine Korrekturen hinsichtlich der Behandlungsdauer.
Wenn auch nur eine dieser Regeln verletzt wird, bleiben die Folgen nicht aus. Alle Verstösse verlangsamen den Fortschritt der Therapie und verursachen für den Auditor Mehrarbeit; sie fallen nachteilig auf den Auditor zurück.
Was beispielsweise den letzten Punkt anbelangt, so hat die Verschwiegenheitsregel ihren guten Grund. Sobald der Auditor den Preclear über irgendetwas zu informieren beginnt, koppelt dieser den Auditor sofort als Informationsquelle in den Schaltkreis ein und meidet damit die Engramme, die es anzugreifen gilt.
Der Auditor wird die heftigsten und beunruhigendsten menschlichen Emotionen ausbrechen sehen. Er mag vielleicht zu Mitgefühl verleitet werden; wenn das aber geschieht, dann hat er etwas übersehen und die Therapie behindert: jede Emotion, die sich zeigt, wird kurz danach schon Geschichte sein. Wie der Preclear sich auch drehen und winden mag, der Auditor muss fest im Auge behalten, dass jedes Klagen, jedes Aufbäumen ein Schritt näher zum Ziel ist. Warum erschrecken oder Mitleid verschwenden wegen etwas, das nach mehrmaligem Wiedererzählen einen glücklicheren Preclear hinterlässt?
Wenn ein Auditor Angst bekommt, weil der mit seinem Engramm kämpfende Preclear zu zittern beginnt, und den grössten aller Fehler begeht, indem er sagt: »Komm in die Gegenwart zurück!«, dann kann er sicher sein, dass es dem Preclear ein paar Tage lang schlecht gehen wird und das Engramm beim nächsten Versuch, in es einzudringen, blockiert sein wird.
Wenn ein Auditor sich geistig so einstellt, dass er ruhig sitzen bleiben und ein Liedchen pfeifen könnte, während Rom vor ihm abbrennt, wird er optimale Arbeit leisten. Die Dinge, die er anschaut, gleichgültig, wie sie aussehen, gleichgültig, wie sie sich anhören, sind echte Gewinne; der allzu ruhig bleibende und ordentliche Patient macht nur langsam Fortschritte. Das soll nicht heissen, dass der Auditor ausschliesslich auf heftige Ausbrüche abzielt, sondern dass er in einem solchen Fall glücklich und zufrieden sein kann, weil ein weiteres Engramm seine Ladung verloren hat.
Die Aufgabe des Auditors erinnert sehr an die eines Schäfers, der die Lämmer – die Engramme – zum Schlachten in die Hürde treibt. Der Preclear steht nicht unter dem Befehl des Auditors, aber er wird, wenn der Fall gut läuft, mit diesen Engrammen alles tun, was der Auditor will, denn der analytische Verstand und die Dynamiken des Preclears wollen, dass diese Arbeit getan wird. Der Verstand weiss, wie der Verstand funktioniert.