Die Rechtslehre der Dianetik

Diese kurze Zusammenfassung der Rechtslehre der Dianetik wird als eine Hilfe für den Auditor in das vorliegende Werk aufge­nommen.

Die Rechtslehre der Dianetik beschäftigt sich mit der Recht­sprechung in der Gesellschaft und zwischen den unterschiedlichen Gesellschaften der Menschheit. Sie umfasst notwendigerweise die Rechtswissenschaft und die Gesetzgebung und stellt genaue Defini­tionen und Formeln auf, die die Verwirklichung menschlicher Ge­rechtigkeit möglich machen. Sie ist die Wissenschaft von der Urteilssprechung.

Rechtswissenschaft und Rechtsprechung ruhen auf den Grundpfeilern richtig und falsch, gut und böse. Die Definition dieser Begriffe ist in der Dianetik selbstverständlich zu finden; mit Hilfe dieser Definitionen können alle Handlungen des Menschen richtig beurteilt werden.

Das grundlegende Kriterium für Rationalität (Vernunft) ist die Fähigkeit, richtig und falsch zu unterscheiden. Die Grundfaktoren dafür, ob eine Handlung zu billigen oder zu verurteilen ist, sind gut und böse. Wenn diese vier Begriffe nicht genau definiert werden, verliert jede Struktur von Gesetzgebung oder Rechtsprechung ihre Wirkung und wird kompliziert, weil sie willkürliche Faktoren ein­führt. Diese führen zwar Entscheidungen herbei, sind aber doch nur neue Fehler, mit denen alte Fehler ausgeglichen werden sollen. Ein allen Anforderungen genügendes Strafrecht kann nur aufgestellt werden, wenn präzise wissenschaftliche Definitionen für die vier ge­nannten Grundfaktoren vorliegen. Von dieser Bedingung ist auch die Begründung und Formulierung eines bürgerlichen Rechts abhängig, das nicht zu Ungerechtigkeiten führt.

Die Probleme der Rechtswissenschaft und tatsächlich allen menschlichen Urteils sind unlöslich mit den Problemen des Verhal­tens verwoben.

Eine ideale Gesellschaft wäre eine Gesellschaft nichtaberrierter Menschen – Clears –, die in einer nichtaberrierten Kultur leben; denn sowohl der einzelne als auch die ganze Gesellschaft bzw. deren Kultur können aberriert sein. Die Aberrationen der Kultur dringen in die grundsätzlichen und besonderen Überlegungen, die der Mensch über sein Verhalten anstellt, als irrationale Faktoren ein, und zwar über Erziehung und Ausbildung sowie über die gesell­schaftlichen Bräuche und das Rechtswesen. Es genügt nicht, als ein­zelner nicht aberriert zu sein, wenn man in den Schranken einer Gesellschaft, die eine Kultur aus vielen unvernünftigen Vorurteilen und Sitten einwickelt hat, leben muss.

Die wirkliche Ursache von Falschem und Bösem festzustellen ist ein grundlegendes Problem aller Rechtsprechung. Die eigentliche Ursache liegt unglücklicherweise in den Irrationalitäten jener Mit­glieder vergangener Generationen begründet, die nur ein begrenztes Wissen hatten, dem Druck ihrer Umwelt ausgesetzt waren und so Lösungen mit Hilfe von Grundsatzüberlegungen suchten, die falsche und unbestimmte Faktoren enthielten. Diese längst begrabenen Ge­nerationen können nicht vor Gericht gestellt werden. Wir sind die Erben aller früheren Zeitalter, und das ist gut; wir sind aber auch die Erben aller Irrationalitäten der Vergangenheit, und das ist schlecht. Unter solchen Umständen und ohne allgemeine Vernunft in der Um­welt kann der Auditor keine exakte Beurteilung des Preclears im Hinblick auf böse oder falsche Handlungen aufstellen. Der Verbre­cher und der Geisteskranke, der Hypochonder und der Frauenprügler, der erbarmungslose Diktator, der die Welt aus den Angeln heben will, und der Strassenfeger, der nur dasitzt und weint – sie alle sind gefesselt und getrieben von den in ihnen liegenden Ursachen der Unvernunft, von der Umwelt, die in die verborgenen Tiefen ihres schmerzgequälten Verstandes eingedrungen ist und ausserdem in Gestalt gesellschaftlicher Aberrationen von aussen her auf sie einhämmert.

Der Auditor ist daran interessiert, was seinem Patienten getan wurde, und nicht daran, was der Patient getan hat; denn was der Patient auch getan haben mag, ist seinem Gedächtnis für immer unzugänglich; und es war nicht die Ursache, sondern nur der Aus­druck seiner Kümmernisse.

Nur in einer Gesellschaft von nichtaberrierten Menschen mit einer Kultur, aus der alle Unvernunft entfernt wurde, kann der Mensch für seine Handlungen wirklich verantwortlich sein, dann und nur dann. Doch aufgrund der gegebenen Situation müssen wir einen kleinen Teil der Verantwortung jetzt übernehmen. Ein Mensch muss nicht seinen Engrammen unterliegen.

Vielleicht werden in ferner Zukunft nur dem Nichtaberrierten die Bürgerrechte verliehen. Vielleicht ist das Ziel irgendwann in der Zukunft erreicht, wenn nur der Nichtaberrierte die Staatsbürger­schaft erlangen und davon profitieren kann. Dies sind erstrebens­werte Ziele, deren Erreichung die Überlebensfähigkeit und das Glück der Menschheit erheblich zu steigern vermöchten.

Schon jetzt könnte das Strafrechtsverfahren reformiert werden, und es lässt sich mit Genauigkeit feststellen, ob die Tat, die eine Person vor Gericht brachte, eine aberrierte Handlung war, von einer Aberration der Kultur herrührte oder frei davon zum Schaden eines anderen oder der Gesellschaft begangen wurde. Sicher könnte der »Strafvollzug« so verfeinert und humanisiert werden, dass der Rechtsbrecher nicht als Gefängnisinsasse oder als ruinierter Mensch zu verstärkter Aberration verurteilt, sondern durch Auslöschung sei­ner Aberrationen auf eine höhere Ebene der Vernunft gehoben wird.

Die vergangenen Taten eines geklärten Menschen sollten eben­so wie seine Krankheiten aus den Akten gestrichen werden, denn nachdem die Ursache entfernt wurde, gibt es keinen Grund zur Stra­fe mehr, ausser eine Gesellschaft wäre so aberriert, dass sie sadisti­schen Prinzipien folgen möchte. Hier geht es um mehr als Idealis­mus, denn es lässt sich zeigen, dass die Aberration des einzelnen und der Gesellschaft in direktem Verhältnis zum Ausmass verhängter Strafen zunimmt.

Bemühungen, die Probleme einer Rechtspflege zu lösen, welche bis jetzt nicht über genaue Definitionen von richtig und falsch, gut und böse verfügte, nahmen lediglich Zuflucht zu einer Methode, die in der Dianetik als das Prinzip der Einführung von Willkürfaktoren beschrieben wird. Allgemeine, starre Regeln wurden den Problemen als Lösungsversuche aufgestülpt, wobei aber jede neue Regel die Ver­nunft tiefer unter sich begrub, so dass wieder neue Regeln nötig wur­den. Eine Willkürstruktur besteht dann, wenn ein Fehler beobachtet wurde und man versucht hat, ihn durch Einführung eines weiteren Fehlers zu korrigieren; in immer grösser werdender Kompliziertheit müssen dann neue Fehler eingeführt werden, um die üblen Auswir­kungen der alten auszugleichen. Eine Kultur – von der Rechtswissenschaft gar nicht zu reden – wird kompliziert und schwerfällig im direkten Verhältnis zur Anzahl der neuen Übel, die sie in der Absicht einführen muss, alte Übel zu kompensieren. Zum Schluss kann es keine Vernunft mehr geben, sondern nur noch Gewalt, und wo keine Vernunft, stattdessen aber Gewalt herrscht, wütet das Chaos des Wahnsinns. Wo der Wahnsinn nicht unter Kontrolle gebracht wird, muss schliesslich Apathie eintreten; und Apathie führt auf dem Weg hinab unvermeidlich in den Tod.

Wir stehen hier an einer Brücke zwischen zwei Seinsebenen der Menschheit. Unter uns liegt der Abgrund, der eine tiefere Ebene von einer höheren trennt; und dieser Abgrund markiert eine künstliche Entwicklungsstufe im Fortschritt der Menschheit.

Der Auditor steht an dieser Brücke; wenn er geklärt ist, wird er an ihrem höheren Ende stehen. Er wird sie stark befahren finden. Er wird vielleicht zu sehen bekommen, wie Sitten, Gesetze, Organisatio­nen und Gesellschaften die Brücke zu meiden suchen, nur um – davon gefegt – ins Nichts hinabzutaumeln.

Es wird ihm nichts nützen, wenn der Auditor seine Preclears oder die Gesellschaft im Allgemeinen im Licht seiner jetzigen Er­kenntnis für vergangene Fehler tadelt und verurteilt. Es wird nicht nur nichts nützen, sondern den Fortschritt sogar unterbinden. Es ist eine harte Tatsache, dass der Kampf gegen die Unvernunft begonnen hat. Attackieren Sie die Unvernunft, nicht die Gesellschaft oder den Menschen.