Die Dianetik und der Krieg

Die gesellschaftlichen Organismen, die wir Staaten und Natio­nen nennen, reagieren und verhalten sich in jeder Beziehung so, als wären sie individuelle Organismen. Die Kultur hat ihren analyti­schen Verstand – die kombinierte Vernunft und bewusste Empfindung ihrer Bürger im Allgemeinen und ihrer Künstler, Wissenschaftler und Staatsmänner im Besonderen. Die gesellschaftliche Standard-Gedächtnisbank besteht aus den Daten, die über Generationen zu­sammengetragen wurden. Der gesellschaftliche Organismus hat aber auch seinen reaktiven Verstand, der in den Vorurteilen und Irratio­nalitäten der gesamten Gruppe in Erscheinung tritt. Dieser reaktive Verstand bedient sich einer Engrammbank, in der vergangene schmerz­liche Erfahrungen liegen und die reaktive Handlungen auf gewissen Gebieten diktiert, sobald diese Erfahrungen in der Gesellschaft resti­muliert werden. Dies ist – allzu kurz hier – eine Analogie, die in der politischen Dianetik verwendet wird.

Der gesellschaftliche Organismus verhält sich in einer Art, die auf der Tonskala darstellbar ist; er hat seine Überlebensdynamik und seine Unterdrücker; er hat seine innere Unterdrückung auf­grund von Engrammen und seinen Drang nach potentiell unendli­cher Dauer. Kriminelle, Verräter und Fanatiker sind Beispiele für innere Engramme, die das Überlebenspotential auf der Tonskala hinunterdrücken.

Für jede gesellschaftliche Stufe gibt es eine exakte, auf die Tonskala bezogene Definition. Eine freie Gesellschaft, die in voll­ständiger Zusammenarbeit auf gemeinsame Ziele hinstrebt, wäre eine Gesellschaft auf Ton 4. Eine Gesellschaft, die durch willkürliche Einschränkungen und unterdrückerische Gesetze behindert wird, wäre eine Gesellschaft auf Ton 2. Eine Gesellschaft, die durch die Launen eines einzigen Mannes oder einiger weniger Männer verwal­tet und kommandiert wird, wäre eine Gesellschaft auf Ton 1. Eine Gesellschaft, die vom Geheimnis und Aberglauben irgendeiner my­stischen Gruppe gesteuert wird, wäre eine Gesellschaft auf Ton 0. Das jeweilige Überlebenspotential ist überall in der Geschichte sicht­bar. Jedes »goldene Zeitalter« befindet sich auf Ton 4. Unterdrückungspraktiken, individuelle Gier und falsche Beurteilungen im all­gemeinen beeinträchtigen die Gesellschaft dadurch, dass unzufriede­ne Elemente in sie eingeführt werden. Um mit ihnen zurechtzukom­men, wurde in der Vergangenheit noch mehr Unterdrückung ver­wendet. Das Überleben der Gesellschaft verminderte sich weiter. Durch noch mehr Unterdrückung entstanden neue Engramme, und so sanken die Chancen, langes Überleben zu erreichen, mit dem Ab­stieg auf der Tonskala. Mit dieser Verminderung des Potentials kam, als die unteren Zonen betreten wurden, der Schmerz.

Gesellschaften steigen und fallen auf der Tonskala. Aber es gibt einen Gefahrenpunkt, unter den eine Gesellschaft nicht abfallen kann, ohne so zu reagieren, wie eine unterdrückte Einzelperson rea­gieren würde: die Gesellschaft erreicht eine Grenze und wird irrsin­nig. Dieser Punkt liegt um 2,0.

Die Auseinandersetzungen zwischen Gesellschaften und Natio­nen haben viele Gründe, die alle mehr oder weniger irrational sind. Es hat oft Zeiten gegeben, da eine Gesellschaft gezwungen war, eine andere, die weniger vernünftig war als sie, zu überwältigen. Mit jedem Zusammenstoss wurden jedoch neue Engramme geboren – so­wohl auf der internationalen Szene als auch in den Gesellschaften selbst.

Krieg ist Ton 1 in internationalem Massstab. Er ist nicht vernünftiger als ein einzelner Mensch, der in eine Irrenanstalt gebracht wird, weil er allgemein und chronisch Ton 1 erreicht hat, oder einge­sperrt wird, weil er, vorübergehend auf Ton 1, dieses oder jenes Ver­brechen begangen hat. Doch für Gesellschaften gibt es keine Gefäng­nisse, sondern bis jetzt nur den Tod; so sterben sie, und so sind sie gestorben.

Bis heute hatte eine Nation kein anderes Mittel als die Gewalt, wenn sie einer anderen, irrsinnig gewordenen Nation gegenüber­stand. Infolge der ansteckenden Wirkung der Aberration wurden dann beide Nationen irrsinnig. Keine Nation hat jemals einen Krieg vollständig gewonnen. Keine Nation hat jemals durch Waffengewalt endgültig triumphiert. Keine Nation hat jemals durch Drohung oder offen gezeigte Verteidigungsmittel einen Krieg verhindert.

Der stetig wachsende Hass hat Waffen von solcher Gewalt her­vorgebracht, dass der Mensch sich selbst von der Erde fegen kann. Diese Waffen zu kontrollieren ist kein Problem – sie explodieren, wann und wo der Mensch ihnen zu explodieren befiehlt. Das Problem ist, den Menschen zu kontrollieren.

Es gibt heute in der Welt kein nationales Problem, das nicht durch Vernunft allein gelöst werden könnte. Alle Faktoren, die eine Lösung des Kriegs- und Rüstungsproblems hemmen, sind willkürli­cher Art und haben keine grössere Stichhaltigkeit als die rechtferti­genden Erklärungen eines Diebes oder Mörders.

Der Bauer von Idaho hat keinen Streit mit dem Ladeninhaber in Stalingrad. Diejenigen, die etwas Derartiges behaupten, lügen,

Es gibt keine internationalen Probleme, die nicht mit friedli­chen Mitteln gelöst werden könnten – nicht durch eine übernationale Regierung, sondern durch Anwendung von Vernunft.

Nichtexistente Wesen in Form von Ismus-Göttern marschieren alptraumhaft durch die Welt, indem sie auf undefinierbaren Ideolo­gien herumreiten und mit der Unwissenheit der Massen spielen.

Kein Eigeninteresse kann gross genug sein, um das Abschlach­ten der Menschheit zu rechtfertigen. Wer so etwas verlangt, wer es nicht durch jedes vernünftige Mittel verhindert, ist geisteskrank. Für Krieg gibt es keine Rechtfertigung.

Hinter den Vorhängen von Sprache und unterschiedlichen Sit­ten lehrt man die Völker, keine Gemeinsamkeiten mit anderen Völ­kern zu sehen. Getrieben von ihren eigenen Schrecken und von ihren eigenen Aberrationen beherrscht, stellen die Führer andere Ismen als verabscheuungswürdig hin.

Es gibt auf der Erde heute keinen perfekten politischen Staat, es gibt nicht einmal eine gute Definition für eine perfekte politische Überzeugung. Die Staaten sind die Opfer innerer und äusserer Aber­rationen.

Die Dianetik greift den Krieg deswegen auf, weil es einen kla­ren Wettlauf zwischen der Wissenschaft des Verstandes und der Atom­bombe gibt. Vielleicht gibt es keine zukünftige Generation, die wis­sen wird, wer ihn gewann.

Vernunft allein kann den Menschen über diese tödliche Bedro­hung hinausführen.

Es gibt keine Geisteskrankheit, die nicht mit einer Verwirrung von Definitionen und Zielsetzung einhergeht. Die Lösung des inter­nationalen Problems liegt weder in Rüstungsverträgen noch -begrenzungen, noch in der Einschränkung persönlicher Freiheit. Die Lösung liegt darin, dass die politischen Theorien und Richtlinien so definiert werden, dass es über die Verfahrensweisen keine Unklarhei­ten geben kann; sie liegt in der Aufstellung von vernünftigen Zielen, für die Gesellschaften gemeinschaftlich und einzeln arbeiten kön­nen; und sie liegt in einem zwischen den Gesellschaften stattfinden­den Wettbewerb, der so grosse Gewinne bringt, dass auf keinen Teil­nehmer verzichtet werden kann.

Der grundlegende Kampf des Menschen richtet sich nicht gegen den Menschen – das ist Irrsinn. Sein Kampf richtet sich hauptsäch­lich gegen jene Elemente, die ihn als Art unterdrücken und die sei­nen Drang nach höheren Zielen versperren. Der Mensch kämpft mit den Naturgewalten, mit Raum und Zeit und mit Arten, die sein Überleben gefährden. Er hat seine Eroberung gerade erst begonnen. Er ist erst jetzt mit Werkzeugen und wissenschaftlichen Kenntnissen so gut ausgerüstet, dass er das Universum erobern kann. Er hat keine Zeit, über den Gartenzaun hinweg über Atombomben zu diskutieren, zu toben und zu krakeelen.

Die Zähmung der Atomkraft durch den Menschen bringt andere Welten in seine Reichweite. Warum sich um diese eine hier zanken? Die letzten Entdeckungen auf dem Gebiet der Photosynthese ver­sprechen ihn auch dann noch gut zu ernähren und fürstlich zu klei­den, wenn er die jetzigen zwei Milliarden auf der Erde selbst um das Tausendfache übersteigen würde. Aus welchem Grunde muss er strei­ten? Warum?

Zwei vernünftige Männer würden einen Wettbewerb um Ge­winn, Wert und Produktion beginnen. Sind die mächtigen Nationen, diese gewaltigen, furchterregenden und donnernden »Giganten« in Wirklichkeit kleine unerzogene und ziemlich durchgedrehte Buben, die sich mit lautstarken Beleidigungen um eine tote Katze streiten? Was ist mit den Armeen? Armeen sterben. Wenn Macht Recht verlie­he, würde Rom noch immer die Welt regieren. Wer fürchtet heute jene archäologische Kuriosität, die einst Rom war?

Es gibt ein höheres Ziel, ein besseres Ziel, einen glorreicheren Sieg als ausgebrannte Städte und strahlenverbrannte Tote. Es gibt Freiheit, Glück und Überfluss und ein ganzes Universum zu ge­winnen.

Wer das nicht sehen kann, taugt überhaupt nicht zum Herr­scher. Wer an seinem Hass festhält, ist zu geisteskrank, um Berater zu sein.

Wie viel kann der Mensch erobern? Er verliert, wenn er den Mitmenschen erobert. Er gewinnt, wenn er seine eigenen Ängste besiegt und danach die Sterne erobert.

Greifen Sie die natürlichen Feinde des Menschen an, und tun Sie das gründlich; der Krieg des Menschen mit dem Menschen kann dann kein Problem mehr sein. Das ist Vernunft.

Die Dianetik ist nicht daran interessiert, die Welt zu retten; sie ist nur daran interessiert, die Welt davor zu bewahren, gerettet zu werden. Noch einmal wäre tödlich! Die Dianetik ist nicht gegen Kampf; sie sagt, was bekämpft gehört, wer die Feinde sind. Dazu gehören die Ursachen aller menschlichen Leiden – im einzelnen und in der Gesellschaft – so wie die Feinde der ganzen Menschheit. Der Mensch hat in seinem verwirrten Zustand seine Feinde nicht er­kannt. Jetzt sind sie sichtbar; greifen Sie an!