Der Schutzmechanismus des Verstandes

Der Verstand ist ein Mechanismus, der sich selbst schützt. Ohne Verwendung von Drogen wie in der Narkosynthese, ohne Hypnose, ohne Schocks oder chirurgische Eingriffe kann ein Auditor keinen Fehler machen, der nicht entweder von ihm selbst oder durch einen anderen Auditor behoben werden könnte. Der Nachdruck wird in diesem Buch daher auf Methoden gelegt, mit deren Hilfe die Thera­pie so schnell wie möglich und mit möglichst wenig Fehlern durchge­führt werden kann; denn Fehler kosten Zeit. Auditoren werden Feh­ler begehen, das ist unvermeidlich. Wenn sie denselben Fehler wie­derholt begehen, sollten sie sich besser selbst durch die Therapie führen lassen.

Es gibt vermutlich Tausende von Möglichkeiten, bei der Be­handlung geistiger Störungen in Schwierigkeiten zu geraten. Sie las­sen sich jedoch wie folgt zusammenfassen:

1.   die Anwendung von Schocks oder chirurgische Eingriffe am Gehirn;

2.   der Gebrauch von starken Drogen;

3.   die Anwendung jeglicher Form von Hypnose;

4.   der Versuch, die Dianetik mit älteren Therapiemethoden zu kreuzen.

Der Verstand wird nicht zulassen, dass er ernstlich überlastet wird, solange er wenigstens teilweise bei Bewusstsein ist; er kann nur über­lastet werden, wenn sein Bewusstsein so stark herabgesetzt ist, dass verstandesmässige Auswertung entfällt: dann kann er völlig durch­einandergeraten. Die dianetische Reverie lässt den Patienten alles, was stattfindet, vollbewusst erleben, so dass er sich später alles, was geschehen ist, vollständig zurückrufen kann. Therapiemethoden, bei denen es nicht so ist, sind zwar möglich und nützlich, müssen aber mit dem vollen Wissen angegangen werden, dass sie nicht »narrensi­cher« sind. Die Dianetik benutzt daher für den grössten Teil ihrer Arbeit die Reverie. Ein Auditor, der mit ihr arbeitet, kann sich un­möglich in irgendwelche Schwierigkeiten bringen, aus denen er sich und den Patienten nicht wieder herauswinden könnte. Er arbeitet mit einem Mechanismus, der fast narrensicher funktioniert, solange für den Verstand ein gewisses Bewusstsein erhalten bleibt. Ein Radio, eine Uhr oder ein Elektromotor in den Händen eines Facharbeiters sind viel leichter zu beschädigen als der menschliche Verstand. Der Verstand könnte nicht robuster gebaut sein. Und man wird feststellen, dass es schwer ist, ihn in Situationen zu versetzen, die ihn in Schwierigkei­ten bringen, und unmöglich, ihn mit der Technik der Reverie so zu verwirren, dass er neurotisch oder geisteskrank werden könnte.

Im Handbuch der US-Infanterie gibt es einen Grundsatz über Entschlusskraft: »Jeder Plan, wie dürftig er auch ausgedacht sein mag, ist besser als Untätigkeit, wenn er nur kühn ausgeführt wird.«

In der Dianetik ist es besser, jeden Fall – egal wie ernst dieser ist und wie ungeschult der Auditor sein mag – anzugehen, als ihn auf sich beruhen zu lassen. Es ist besser, mit der Therapie zu beginnen, auch wenn sie nach zwei Stunden Arbeit unterbrochen werden muss, als überhaupt nichts zu tun. Es ist besser, mit einem Engramm in Kontakt zu kommen, als es unberührt zu lassen, selbst wenn das Ergebnis vielleicht ist, dass der Patient körperliches Unbehagen ver­spürt – denn das Engramm wird danach an Kraft eingebüsst haben, und das Unbehagen wird allmählich nachlassen.

Das ist eine wissenschaftliche Tatsache. Der Mechanismus, den die Dianetik benutzt, ist eine Fähigkeit des Gehirns, von dessen Be­sitz der Mensch allgemein noch nichts wusste. Es handelt sich um einen Prozess des Denkens, zu dem jeder Mensch von Natur aus befä­higt ist und der offenbar dafür vorgesehen war, im allgemeinen Denkablauf eingesetzt zu werden, merkwürdigerweise jedoch vom Menschen übersehen und daher nie zur Kenntnis genommen wurde. Sobald ein Mensch gelernt hat, dass er diese eine neue Fähigkeit besitzt, kann er besser denken als zuvor, und das lässt sich innerhalb von zehn Minuten erreichen. Ausserdem werden, wenn man sich mit dieser Fähigkeit einem Engramm nähert (was in intensivierter Form der Reverie entspricht), einige der unterschwelligen Verbindungen des Engramms gebrochen; die aberrierenden Wirkungen sind dann in der körperlichen wie auch in der geistigen Sphäre geschwächt. Darüber hinaus ist allein schon das Wissen, dass es für geistige Störungen eine Lösung gibt, ein stabilisierender Faktor.

Sich einem Engramm mit Hilfe der Reverie zu nähern, ist bei weitem nicht dasselbe wie die Restimulierung des Engramms von aussen her, wie das im Leben geschieht. Das Engramm ist nur so lange etwas Machtvolles und Bösartiges, als es nicht angezapft ist. Wenn es bereitliegt und aktiv ist, kann es restimuliert werden und unzählige geistige und körperliche Störungen hervorrufen. Nähert man sich ihm aber durch Reverie, so geschieht das über einen neuen Schaltkreis, einen, der das Engramm »entwaffnet«. Das Engram be­zieht seine Macht teilweise auch aus der Furcht vor dem Unbekann­ten – Wissen allein bringt schon Stabilität.

Glauben Sie nicht, dass Sie dem Patienten kein Unbehagen be­reiten werden. Dem ist nicht so. Wenn ein Auditor im Zuge seiner Arbeit Engramme anzapft, die nicht gehoben werden können, so mag das trotz sorgfältigen Vorgehens beim Patienten Kopfschmerzen, verschiedene Wehs und Beschwerden und sogar eine leichte körperli­che Erkrankung auslösen. Doch das Leben hat dies dem Patienten jahrelang in einem viel grösseren Massstab angetan, und wie sehr der Patient auch traktiert wird und wie viele Aberrationen zum Vor­schein kommen, um ihn ein oder zwei Tage lang zu plagen, das alles ist in Kauf zu nehmen, denn nichts ist so ernst wie die Aberrationen, die die Umgebung hervorrufen kann, wenn sie auf unangezapfte En­gramme einwirkt.

Ein Auditor kann so ziemlich alles verkehrt machen, und dem Patienten wird es dennoch besser gehen, vorausgesetzt nur, dass der Auditor nicht versucht, Drogen zu verwenden, dass er keine Hypnose benutzt und nicht versucht, Dianetik mit anderen, älteren therapeu­tischen Methoden zu vermengen. Er kann Drogen in der Dianetik verwenden, wenn er die Dianetik beherrscht und wenn ein Arzt mit ihm zusammenarbeitet. Er kann auch alle Hypnosetechniken benut­zen, wenn er gründliche Erfahrungen mit der Dianetik hat. Wer aber einmal die Dianetik angewandt hat, wird nicht in fragwürdige Be­mühungen der geistigen Heilung zurückfallen. Kurz, der Punkt, auf den es hier ankommt, ist folgender: Sofern sich der Auditor zuerst nur eines relativ einfachen Falles annimmt, um zu sehen, wie die Mechanismen des Verstandes funktionieren, und solange er nur die Reve­rie benutzt, kann es keine Schwierigkeiten geben. Es wird sicher auch Leute geben, die sich für dermassen erfahren im Tamtamschla­gen oder Kürbisrasseln halten, dass sie der Dianetik keine Chance geben werden, mit ihren Methoden zur Wirkung zu kommen, son­dern geradewegs beginnen werden, den Patienten mit »Penisneid« zu plagen oder ihn seine Sünden bereuen zu lassen. Ein Patient, dem das widerfährt, ist gut beraten, wenn er den Platz auf der Couch mit dem Auditorstuhl vertauscht, um einige der Aberrationen des Therapeuten zu klären, bevor die Arbeit fortgesetzt wird.

Jeder, der dieses Buch einmal durchgelesen und an einem Pa­tienten mit Geräuschrückruf einen ersten Versuch durchgeführt hat, weiss durch diese praktische Erfahrung mehr über das Wesen des Verstandes als je zuvor, und er wird in der Behandlung des Verstandes ge­schickter und fähiger sein als jeder noch so angesehene »Fachmann«, der sich in einer solchen Behandlung versucht. Das bedeutet nicht, dass Fachleute, die mit geisteskranken Patienten Erfahrung haben (wenn sie die Dianetik beherrschen), nicht solchen Personen voraus wären, denen manche Schwächen unbekannt sind, die der Mensch im aberrierten Zustand haben kann. Andererseits steht aber fest, dass ein Ingenieur oder Rechtsanwalt oder Koch, der mit einigen dianetischen Fällen Erfahrungen gesammelt hat, geschickter sein wird als alle anderen Praktiker, unabhängig von deren Hintergrund oder Be­rufszweig. Da gibt es keine Grenzen.

Man kann nicht einfach behaupten, ein fähiger Hypnotiseur oder ein fähiger Psychologe, der bereit und gewillt ist, die Fehler von gestern über Bord zu werfen und umzulernen, sei für die dianetische Praxis nicht besser vorbereitet. Auf dem Gebiet der psychosomatischen Medizin mag der Arzt mit seinem grossen Erfahrungsschatz in der Heilung den anderen Auditoren in der dianetischen Arbeit sehr wohl weitaus überlegen sein. Aber das ist nicht notwendigerweise so. Im Laufe unserer Forschungsarbeit hat sich nämlich erwiesen, dass Männer und Frauen mit einem ganz und gar nicht verwandten beruf­lichen Hintergrund plötzlich zu Auditoren wurden, die Spezialisten scheinbar verwandter Fachgebiete an Geschicklichkeit überlegen waren. Besonders Ingenieure sind hervorragend geeignet, ausge­zeichnete Auditoren zu werden. Die Dianetik ist also nicht bestimm­ten Berufsrichtungen vorbehalten; kein Beruf könnte sie umfassen. Sie ist auch nicht kompliziert genug, als dass sie ein jahrelanges Studium an irgendeiner Universität rechtfertigen würde. Sie gehört dem Menschen, und es steht zu bezweifeln, ob irgendjemand es je fertigbringen wird, sich die Dianetik als Monopol unter den Nagel zu reissen, denn sie fällt nirgendwo unter irgendeine Gesetzgebung. Würde man das Recht auf die Ausübung der Dianetik gesetzlich reglementieren, dann wäre zu befürchten, dass das Anhören von Ge­schichten und Witzen und persönlichen Erfahrungen logischerweise ebenfalls eine staatlich zuzulassende Berufstätigkeit wird. Solche Gesetze würden alle Menschen, die aus gutem Willen und Anteilnah­me für die Schwierigkeiten eines Freundes ein offenes Ohr haben, hinter Schloss und Riegel bringen. Die Dianetik ist keine Psychiatrie. Sie ist keine Psychoanalyse. Sie ist keine Psychologie. Es handelt sich nicht um zwischenmenschliche Beziehungen. Sie ist keine Hypnose. Sie ist eine Wissenschaft vom menschlichen Verstand und benötigt nicht mehr Lizenzen und Vorschriften wie etwa die Anwendung der Wis­senschaft Physik. Aktivitäten, gegen die Gesetze erlassen werden, sind deswegen Gegenstand juristischer Erfassung, weil sie für den einzelnen oder die Gesellschaft in irgendeiner Weise schädigend sein könnten. Bezüglich der Psychoanalyse gibt es in etwa drei Bundes­staaten der USA eine Gesetzgebung; Gesetze, die die Psychiatrie festlegen oder einengen, gibt es überall. Wenn sich ein Auditor als Psychiater etablieren will mit dem Recht, lebende menschliche Ge­hirne zu sezieren, wenn er sich als Arzt niederlassen will, um Drogen und Medikamente zu verschreiben, wenn er Hypnose praktizieren will, um Patienten mit Suggestionen vollzustopfen, dann muss er das mit der Psychiatrie oder der Medizin abmachen oder sich an die Gesetze über Hypnose halten, denn er ist in andere Gebiete als das der Dianetik eingedrungen. In der dianetischen Praxis wird Hypnose nicht angewandt, es werden weder Gehirne operiert noch Narkotika verabreicht, es sei denn, dass in letzterem Fall ein Arzt dianetischer Mitarbeiter ist. Die Dianetik wird nirgendwo in irgendeiner Weise von der Gesetzgebung erfasst, denn keine Gesetzgebung könnte je verhindern, dass ein Mensch einem anderen sein Leid klagt. Und wenn irgendjemand je ein Monopol auf die Dianetik beanspruchen wollte, dann können Sie sicher sein, dass dies aus Gründen geschieht, die nicht mit der Dianetik, sondern mit Profit zu tun haben. Es gibt nicht genügend Psychiater im Lande, um auch nur annähernd die Posten der Heilanstalten zu besetzen. Sicherlich wird diese Generati­on – besonders angesichts all der iatrogenen Schäden, die angerich­tet worden sind – diese Anstalten und die Psychiater weiterhin brau­chen. Deren Gebiet ist definitionsgemäss die Behandlung der Geistes­kranken, und das hat mit Ihnen und mir nichts zu tun. In den allge­meinen Rahmen der Psychologie fügt sich die Dianetik ein, ohne auf deren Vertreter, Forschung oder Lehrstühle störend einzuwirken, denn »Psychologie« bedeutet einfach die Lehre von der Psyche, und jetzt, da es eine Wissenschaft der Psyche gibt, kann sie mit Macht voranschreiten. Somit ist die Dianetik niemandes Feind; sie fällt aus aller bestehenden Gesetzgebung gänzlich heraus, weil eine Wissen­schaft des Verstandes darin weder vorausgesehen noch einbezogen wor­den ist.