Der reaktive Verstand

Es wird heute weitgehend anerkannt, daß sich das Leben in allen seinen Formen aus den Grundbausteinen Virus und Zelle entwickelt hat. Für die Dianetik ist nur wesentlich, daß eine solche Annahme von praktischem Nutzen ist – und mehr verlangen wir von der Dianetik auch nicht. Es besteht kein Anlaß, hier ein umfangreiches Werk über Biologie und Evolution vorzulegen. Wir könnten diesen Wissensgebieten zwar einige Kapitel hinzu­fügen, doch Charles Darwin hat gute Arbeit geleistet. In seinen Werken und den Werken anderer sind die Grundprinzipien der Evolution zu finden.

Von der Evolution ging die Dianetik ursprünglich aus. Es wurde als gegeben an­genommen, daß die Zellen selbst den Drang zum Überleben haben und daß dieser Drang allem Leben gemeinsam ist. Ferner wurde vorausgesetzt, daß Organismen – Einzelwesen – aus Zellen aufgebaut und eigentlich Anhäufungen von Zellkolonien sind.

Wie es sich mit den Bausteinen verhält, so verhält es sich auch mit dem Organismus als Ganzem. In der endlichen Welt und für unsere Zwecke kann man den Menschen als eine kolonieartige Anhäufung von Zellen betrachten. Und man kann annehmen, daß seine Zielsetzung mit der Zielsetzung seiner Bausteine identisch ist.

Die Zelle ist eine Lebenseinheit, die einzig danach strebt, zu überleben.

Der Mensch ist ein Gefüge von Zellen, die einzig danach streben, zu überleben.

Der menschliche Verstand ist die Kommandostelle dieses Unter­nehmens; er ist vom Aufbau her dafür eingerichtet, Probleme zu lösen und Probleme zu untersuchen, die mit dem Überleben und nur mit dem Überleben zu tun haben.

Optimal durchgeführte Überlebenshandlungen werden wirklich zum Überleben hinführen.

Das optimale Verhaltensmuster des Überlebens wurde formuliert und dann auf Ausnahmen hin überprüft. Es wurden keine gefunden.

Es zeigte sich, daß das Verhaltensmuster, das in Richtung Überleben führt, bei weitem nicht steril und nüchtern, sondern voll fruchtbarer und höchst angenehmer Aktivität ist.

Keine dieser Annahmen verdrängte irgendwelche Vorstellungen über die menschliche Seele und göttliche oder schöpferische Vorstellungskraft. Es war vollkommen klar, daß es sich in unserem Fall ausschließlich um eine Erforschung des endlichen Universums handelte und daß es sehr wohl Sphären des Denkens und Handelns oberhalb dieses endlichen Universums geben konnte. Es stellte sich allerdings auch heraus, daß zur Lösung des gesamten Problems von Aberration und irrationalem Verhalten keiner dieser Faktoren nötig war.

Weiterhin wurde festgestellt, daß der menschliche Verstand schwer verleumdet worden war, denn er wurde im Besitz von weitaus höheren Fähigkeiten befunden, als man je zuvor angenommen, geschweige denn erprobt hatte.

Und es stellte sich heraus, daß die Grundnatur des Menschen an den Pranger gestellt worden war, weil der Mensch nicht fähig gewesen war, zwischen irrationalem Verhalten, das von unzulänglichen Daten herrührte, und irrationalem Verhalten, das eine andere, wesentlich heimtückischere Ursache hatte, zu unterscheiden.

Wenn es je einen Teufel gegeben hat, so erfand er den reaktiven Verstand.

Dieser Funktionsmechanismus brachte es fertig, sich dem Blick so gründlich zu entziehen, daß er nur mit Hilfe der induktiven Er­kenntnismethode, die von der Wirkung zurück auf die Ursache schließt, entdeckt werden konnte. Die Detektivarbeit, die zu leisten war, um diesen Erzverbrecher der menschlichen Psyche zu lokalisieren, beanspruchte viele Jahre. Seine Identität kann nun von jeder fachlich geschulten Person in jeder beliebigen Klinik oder Gruppe von Menschen nachgeprüft und bestätigt werden. Eine Gruppe von 273 Personen wurde untersucht und behandelt, es waren Menschen, die an all den verschiedenen Arten von nicht organisch bedingten geistigen Krankheiten und an den verschiedensten psychosomatischen Erkrankungen litten. Bei allen Kranken fand man den reak­tiven Verstand am Werk, seine Wirkungsweisen waren überall gleich. Dies war eine lange Reihe von Fällen, weitere werden sich in Zukunft anschließen.

Jeder hat einen reaktiven Verstand. Bei den Untersuchungen wurde nirgendwo ein einziger Mensch entdeckt, der keinen reaktiven Verstand hatte oder in dessen Engrammbank, dem Datenreservoir, das dem reaktiven Verstand dient, keine aberrierten Inhalte gespeichert waren.

Was bewirkt der reaktive Verstand? Er versperrt den Hörrückruf. Er pflanzt Stimmenschaltkreise in den Verstand. Er nimmt den Menschen das musikalische Gehör. Er bringt die Menschen zum Stottern. Er bewirkt all das, was man auf jeder Liste geistiger Leiden finden kann: Psychosen, Neurosen, Zwänge, Verdrängungen …

Was kann er weiterhin tun? Er kann Arthritis, Schleimbeutel­ent­zündung, Asthma, Allergien, Nebenhöhlenentzündung, Erkrankungen der Herzkranzgefässe und hohen Blutdruck und vieles mehr verursachen, den ganzen Katalog psychosomatischer Krankheiten hindurch. Man kann sogar noch einige hinzufügen, die nie ausdrücklich als psychosomatisch eingestuft wurden, wie etwa die ganz gewöhnliche Erkältung.

Allein der reaktive Verstand kann beim Menschen diese Wirkungen erzeugen; nur er bringt sie zustande.

Er ist auch der Verstand, der Sokrates glauben ließ, dass er einen »Dämon« besäße, der ihm Antworten gab. Er ist der Verstand, der Caligula veranlaßt«, seinem Pferd einen Regierungsposten zu geben. Er ist der Verstand, der Cäsar Tausenden von Galliern die rechte Hand abhacken und der Napoleon die Größe seiner Franzosen um ein paar Zentimeter verkürzen ließ.

Er ist der Verstand, der ständig mit Krieg droht, der die Politik unvernünftig macht, der Vorgesetzte dazu bringt, ihre Untergebenen anzufauchen, der Kinder aus Angst vor der Dunkelheit weinen läßt. Das ist der Verstand, der einen Menschen dazu führt, seine Hoffnungen zu unterdrücken, der ihn in Apathie hält, der ihn unschlüssig macht, wenn er handeln sollte, und der ihn tötet, noch bevor er zu leben begonnen hat.

Wenn es je einen Teufel gegeben hat, so hat er den reaktiven Verstand erfunden.

Entleeren Sie die Engrammbank dieses Verstandes, und Arthritis wird verschwinden, Kurzsichtigkeit bessert sich, Herzkrankheiten gehen zurück, Asthma verschwindet, der Magen arbeitet richtig – alle Leiden dieser Art gehen zurück, verschwinden und bleiben verschwunden.

Ist die reaktive Engrammbank entleert, sieht der Schizophrene endlich der Wirklichkeit ins Auge, beginnt der Manisch-Depressive etwas zu erreichen, hört der Neurotiker auf, sich an Bücher zu klammern, die ihm sagen, wie nötig er seine Neurosen hat, und beginnt zu leben. Die Frau hört auf, ihre Kinder anzufahren, und der Trunksüchtige kann nun trinken, wann er will, und ganz nach Belieben aufhören.

Das sind wissenschaftlich bewiesene Tatsachen. Sie stimmen ausnahms­los mit den gemachten Beobachtungen überein.

Der reaktive Verstand ist der einzige Ursprung der Aberration. Es kann bewiesen werden und wurde wiederholt bewiesen, daß es keinen anderen Ursprung gibt; denn wenn die Engrammbank entleert wird, verschwinden alle unerwünschten Symptome, und der Mensch beginnt auf der Grundlage seines bestmöglichen Verhaltensmusters zu leben.

Hielte man nach Dämonen im menschlichen Verstand Ausschau – nach solchen, wie man sie bei manchen Irrenhausinsassen beobachten kann –, könnte man sie freilich leicht finden. Nur sind es keine Dämonen. Wir haben es mit Umgehungsschaltkreisen der Engrammbank zu tun. Was sind nicht alles für Gebete und Ermahnungen gegen diese Umgehungsschaltkreise gerichtet worden!

Wenn man nun nicht an Dämonen glaubte, wenn man (natürlich als eine Annahme) davon ausginge, daß der Mensch letztlich gut sei, wie käme dann das Böse in ihn hinein? Was wäre dann die Ursache für wahnsinnige Tobsuchtsausbrüche? Was wäre als Ursache für Versprecher anzusehen? Wie wäre es möglich, daß der Mensch irrationale Angst verspürt?

Wie kommt es, daß jemand seinen Chef nicht leiden kann, obwohl dieser immer freundlich war? Warum zerschmettern Selbstmörder ihren Körper?

Wie kommt es, daß der Mensch sich destruktiv aufführt, unvernünftig ist, Krieg führt, tötet und ganze Teile der Menschheit vernichtet?

Wo liegt die Ursache aller Neurosen, Psychosen, Geisteskrankheiten?

Betrachten wir noch einmal kurz den analytischen Verstand und überprüfen wir seine Gedächtnisbanken. Hier finden wir alle Inhalte unserer Sinneswahrnehmungen gespeichert. Jedenfalls sieht es auf den ersten Blick so aus. Wir wollen dies aber noch einmal prüfen, und zwar wollen wir vor allem den Zeitfaktor in Augenschein nehmen. In Verbindung mit den Banken des analytischen Verstandes gibt es ein Zeitgefühl. Es ist sehr genau, so als wäre der Organismus mit einer inneren Präzisionsuhr versehen. Allerdings ist mit der Zeit hier etwas nicht in Ordnung – sie weist Lücken auf! Es gibt Augenblicke, in denen anscheinend in den Standardbanken nichts gespeichert wurde. Das sind Lücken, die in Augenblicken von »Bewußtlosigkeit« zu­stande kamen, also in dem Zustand, der durch Betäubung, Drogen, Verletzung oder Schock verursacht wird.

Das also sind die einzigen Daten, die in den Standardbanken fehlen. Wenn Sie bei einem in hypnotischer Trance befindlichen Patienten die Erinnerung an eine Operation prüfen, dann werden Sie über dieses Geschehnis nichts erfahren, denn solche Geschehnisse sind die einzigen Zeiträume, die Sie in den Banken nicht finden werden. Sie könnten sie zwar finden, wenn Ihnen viel an der Suche und nichts am Patienten gelegen wäre – doch davon später mehr. Hier ist wichtig, daß etwas fehlt, das nach Ansicht der Menschen aller Zeitalter angeblich niemals aufgezeichnet worden ist.

Es ist auch niemandem je gelungen, einen brauchbaren Anhaltspunkt zur Geisteskrankheit zu finden. Stimmen diese zwei Tatsachen überein? Gibt es etwa einen Zusammenhang zwischen ihnen? Ja, eindeutig.

Zwei Phänomene scheinen in den Standardbanken aufgezeichnet zu sein, sind es aber nicht: schmerzliche Emotion und körperlicher Schmerz.

Wie würden Sie ein empfindliches Gerät konstruieren, von dem Leben und Tod eines Organismus abhängen und das das wichtigste Werkzeug eines Menschen sein soll? Würden Sie seine empfindlichen Stromkreise jeder Überlastung aussetzen, oder würden Sie ein Sicherungssystem einbauen? Soll ein empfindliches Instrument in einen Starkstromkreis geschaltet werden, schützt man es durch mehrere Sätze von Sicherungen. Jeden Computer würde man auf diese Weise schützen.

Es scheint gewisse Beweise zu geben, die die Elektrizitätstheorie des Nervensystems stützen. Bei Schmerzen sind die Nerven einer sehr starken Überlastung ausgesetzt. Mit einigen früheren dianetischen Berechnungen mögen wir durchaus auf der richtigen Fährte gewesen sein: daß nämlich das Gehirn die Absorbierungsstelle für Energieüberlastungen darstellt, die durch Verletzungen entstehen, wobei die Energie selbst von den verletzten Zellen in dem Bereich der Verletzung erzeugt wird. Doch das ist Theorie und hat hier nur als Beispiel Platz. Wir befassen uns hier nur mit wissenschaftlichen Tat­sachen.

In Augenblicken intensiven Schmerzes ist die Tätigkeit des analytischen Verstandes vorübergehend eingestellt. Tatsächlich verhält sich der analytische Verstand bei jeder Schocksituation gerade so, als wäre er ein Or­gan, das von der lebenswichtigen Versorgung abgeschnitten wurde.

Ein Beispiel: Ein Mensch wird von einem Auto angefahren; er wird »bewußtlos«. Ins »Bewußtsein« zurückgekehrt, hat er von der Zeit, in der er »ohnmächtig« war, keine Erinnerung. Das wäre ein überlebensfeindlicher Umstand. Das hieße, daß ein Verletzter keine Entschlußkraft hat, und das zu einem Zeitpunkt, an dem der Organismus Entschlußkraft am meisten braucht. Wir haben es also mit Nichtüberleben zu tun, wenn der ganze Verstand ausfällt, sobald Schmerzen auftauchen. Hätte aber ein Organismus, der mehr als eine Milliarde Jahre biologischer Ingenieurarbeit hinter sich hat, solch ein Problem ungelöst gelassen?

Nein, er hat es in der Tat gelöst. Es mag sein, daß dieses Problem biologisch gesehen sehr schwierig zu lösen war, möglicherweise ist auch die Lösung nicht sehr gut; jedoch wurde für diese Augenblicke, in denen der Organismus »bewußtlos« ist, umfangreiche Vorsorge getroffen.

Die Lösung für das Problem, den Organismus auch während Augenblicken der »Bewußtlosigkeit« oder Fast-»Bewußtlosigkeit« reagieren zu lassen, ist gleichzeitig die Antwort auf die Frage nach der Ursache der Geistesstörungen und psychosomatischen Krankheiten und aller geistigen Absonderlichkeiten, zu denen die Menschen neigen und die das Gerücht »Irren ist menschlich« aufkommen ließen.

Anhand der direkten Beobachtung und Behandlung von Ver­suchspersonen haben sich die folgenden Aussagen als wissenschaftliche Tatsachen erwiesen:

1.   Der Verstand zeichnet während des ganzen Lebens des Organismus ununterbrochen auf der einen oder anderen Ebene auf.

2.   Alle Aufzeichnungen des ganzen Lebens sind verfügbar.

3.   »Bewußtlosigkeit«, in der der Verstand seine Umgebung völlig vergißt, ist nur im Tod möglich und existiert nicht als totaler Gedächtnisverlust im Leben.

4.   Alle geistigen und körperlichen Störungen, soweit sie psychischen Ursprungs sind, stammen von Augenblicken der »Be­wußtlosigkeit«.

5.   Man kann mit solchen Augenblicken Kontakt aufnehmen und sie von ihrer schädlichen Ladung befreien, was zur Folge hat, daß der Verstand zu seiner optimalen Funktionsfähigkeit zurückkehrt.

»Bewußtlosigkeit« ist die einzige Ursache der Aberration. Etwas wie »geistiges Konditionieren« gibt es nicht, es sei denn auf einem bewußten Trainingsniveau (wo es nur mit dem Einverständnis der Person möglich ist).

Man kann, wenn man will, einen Menschen versuchshalber in »Bewußtlosigkeit« versetzen, ihm Schmerzen zufügen und ihm dabei Informationen eingeben. Diese Informationen lassen sich mit Hilfe der dianetischen Technik wieder zutage fördern, ganz unabhängig davon, welche Informationen eingegeben wurden. Doch sollten Sie ein solches Experiment nicht leichtfertig durchführen, denn Sie könnten die Person auch geisteskrank machen.

Eine blasse Variante davon kann man mit Hilfe von Hypnose erreichen, die entweder durch herkömmliche Techniken oder durch Drogen hervorgerufen wird. Durch »positive Suggestionen« kann jemand dazu gebracht werden, wie ein Geisteskranker zu handeln. Dieser Test ist nicht neu. Es ist wohlbekannt, daß durch Hypnose Zwänge und Verdrängungen in die Psyche eingeführt werden können. Schon die alten Griechen waren mit Hypnose bestens vertraut und benutzten sie zur Erzeugung verschiedener Wahn­vorstellungen.

Es gibt die so genannte »posthypnotische Suggestion«. Ihre Be­deutung zu verstehen kann das Verstehen des grundlegenden Mechanismus von Geisteskrankheiten erleichtern. Es ist zwar nicht genau der gleiche Vorgang, doch im Wesentlichen ist er ähnlich genug.

Bei der posthypnotischen Suggestion wird jemand durch die übliche Hypnosetechnik oder durch hypnotische Drogen in Trance versetzt. Der Hypnotiseur kann dem Hypnotisierten dann beispielsweise sagen: »Wenn du wieder aufwachst, mußt du folgendes tun: jedes Mal, wenn ich meinen Schlips berühre, wirst du deine Jacke ausziehen. Wenn ich meinen Schlips wieder loslasse, wirst du deine Jacke anziehen. Und nun vergißt du, daß ich dir dies gesagt habe.«

Die Versuchsperson wird dann aufgeweckt. Bewußt weiß sie von diesem Befehl nichts. Teilte man ihr mit, daß sie im »Schlaf« einen Befehl erhalten hat, dann würde sie sich dem Gedanken widersetzen oder die Achseln zucken, doch würde sie es nicht wissen. Der Hypnotiseur berührt seinen Schlips. Die Versuchsperson sagt dann etwa, es sei zu warm, und zieht sich die Jacke aus. Der Hypnotiseur läßt dann seinen Schlips los, woraufhin die Versuchsperson bemerkt, ihr sei nun kalt, und sie zieht sich die Jacke wieder an. Der Hypnotiseur berührt wieder seinen Schlips. Die Person sagt nun möglicherweise, daß ihre Jacke beim Schneider gewesen wäre, und erklärt mit vielen Worten, warum sie sie wieder auszieht, etwa um nachzusehen, ob der Rückensaum richtig genäht worden sei. Der Hypnotiseur läßt seinen Schlips wieder los. Nun sagt die Versuchsperson, sie sei mit dem Schneider zufrieden, und zieht die Jacke wieder an. Der Hypnotiseur kann seinen Schlips viele Male berühren und wieder loslassen und wird jedes Mal die vorprogrammierte Handlung bei der Versuchsperson auslösen.

Wenn sich die Person die Gesichter der Leute um sie herum anschaut, mag ihr schließlich auffallen, daß etwas nicht in Ordnung ist. Allerdings wird sie nicht wissen, was nicht stimmt. Sie wird nicht einmal wissen, daß das Berühren des Schlipses das Signal ist, das sie veranlaßt, die Jacke auszuziehen. Sie wird beginnen, sich unbehaglich zu fühlen. Vielleicht wird sie an der äußeren Erscheinung des Hypnotiseurs etwas auszusetzen haben, etwa dessen Kleidung kritisieren. Aber noch immer weiß sie nicht, daß der Schlips ein Signal ist. Die Versuchsperson wird weiterhin wie befohlen reagieren und über den eigentlichen, merkwürdigen Grund dafür in Unwissenheit bleiben. Sie weiß nichts weiter, als daß sie sich bald mit Jacke – wenn der Schlips berührt wird –, bald ohne Jacke – wenn der Schlips los­gelassen wird – unbehaglich fühlt.

Diese verschiedenen Vorgänge sind für das Verstehen des reaktiven Verstandes sehr wichtig. Hypnose ist jedoch lediglich als Versuchsmittel zu gebrauchen. In der dianetischen Therapie wird sie überhaupt nicht benutzt. Sie erwies sich allerdings als wertvoll bei der Ergründung des Verstandes und seiner Reaktionen. Hypnose ist unberechenbar und unbeständig: Einige wenige Leute kann man hypnotisieren, viele nicht. Hypnotische Suggestionen schlagen manchmal an, manchmal auch nicht. Mitunter machen sie Menschen gesund und andere krank. Dieselbe Suggestion wirkt bei verschiedenen Menschen unterschiedlich. Ein Ingenieur weiß, wie man sich eine unberechenbare und unbeständige Variable zunutze macht; irgendetwas macht sie ja schließlich unberechenbar. Den wirklichen Grund herauszufinden, warum die Hypnose eine Variable ist, half dabei, der Ursachen von Geistesstörungen auf die Spur zu kommen. Und versteht man den Mechanismus der posthypnotischen Suggestion, so kommt man dem Verständnis dessen, was Aberration ist, näher.

Wie närrisch die Suggestion auch sein mag, die einer Versuchsperson unter Hypnose eingegeben wird, sie wird sie auf die eine oder andere Art ausführen. Man kann ihr sagen, sie solle ihre Schuhe ausziehen oder am nächsten Tag um zehn Uhr jemanden anrufen oder zum Frühstück Erbsen essen, und sie wird es tun. Das sind direkte Befehle, und der Mensch wird sie befolgen. Man kann ihm sagen, daß ihm seine Hüte nicht stehen, und er wird glauben, daß das stimmt. Jede beliebige Suggestion wird sich in seinem Verstand auswirken, ohne daß er es auf seinen höheren Bewußtseinsstufen erkennt.

Es lassen sich sehr komplizierte Suggestionen eingeben. Eine solche Suggestion könnte beispielsweise beinhalten, daß jemand nicht mehr in der Lage ist, das Wort »Ich« auszusprechen. Er würde es im Gespräch auslassen und bemerkenswerte Ersatzwörter verwenden, ohne sich bewußt zu sein, daß er gezwungen ist, dieses Wort zu vermeiden. Oder man könnte ihm auch sagen, daß er niemals auf seine Hände schauen dürfe, und er wird es befolgen. Das entspricht Verdrängungen. Die Suggestionen werden der Versuchsperson eingegeben, während sie unter Drogen steht oder sich in einem hypnotischen Schlafzustand befindet, und wirken dann, wenn sie wach ist. Und sie werden weiterhin wirksam sein, bis der Hypnotiseur die Versuchsperson davon befreit.

Man kann einem Mann erzählen, daß er jedes Mal einen Drang zum Niesen verspürt, wenn er das Wort »Teppich« hört, und daß er niesen wird, sobald man es ausspricht. Man kann ihm erzählen, daß er jedes Mal einen halben Meter in die Luft springen muß, wenn er eine Katze sieht, und er wird springen. Er wird so handeln, nachdem er aus der Hypnose erwacht ist. Das entspricht Zwängen.

Man kann ihm sagen, daß er von höchst erotischen Gedanken an eine bestimmte Frau heimgesucht sein wird, daß ihm aber die Nase jucken wird, wenn er an sie denkt. Man kann ihm sagen, daß er einen ständigen Drang verspürt, sich schlafen zu legen, und daß er, nachdem er sich hingelegt hat, jedes Mal das Gefühl hat, nicht schlafen zu können. Er wird diese Zustände erleben. Das entspricht Neurosen.

In weiteren Experimenten kann man ihm, wenn er sich in einem hypnotischen »Schlafzustand« befindet, erzählen, daß er der Präsident des Landes sei und daß die Geheimdienstagenten ihn zu ermorden versuchen. Oder man könnte ihm sagen, daß er in jedem Restaurant, in dem er essen will, Gift vorgesetzt bekäme. Das entspricht Psychosen.

Man kann ihm erzählen, daß er eigentlich jemand anderer sei, daß er eine Jacht besitze und auf den Namen »Sir Reginald« höre. Oder man könnte ihm erzählen, daß er ein Dieb sei, daß er Gefängnisvorstrafen habe und die Polizei nach ihm fahnde. Das entspricht schizophrene bzw. paranoid-schizo­phrenen Geistesstörungen.

Der Hypnotiseur kann dem Hypnotisierten suggerieren, daß er der wunderbarste Mensch auf Erden sei und daß das jeder glaube, oder daß er von allen Frauen angebetet werde. Das entspricht einer Geistesstörung manischer Art.

Unter Hypnose kann der Mann davon überzeugt werden, daß er sich, nachdem er erwacht ist, so schrecklich elend fühlen wird, daß er nichts weiter als den Tod herbeisehnt. Das entspricht einer Geistesstörung depressiver Art.

Man kann ihm beibringen, daß er nur daran denken kann, wie krank er ist, und daß er jede Krankheit bekommt, von der er liest. Das würde ihn wie einen Hypochonder reagieren lassen.

Indem wir uns entsprechende positive Suggestionen ausdenken, um den jeweiligen Geisteszustand hervorzubringen, könnten wir den ganzen Katalog seelischer Leiden durchgehen und die Versuchsperson veranlassen, später im wachen Zustand Verhaltensweisen an den Tag zu legen, die jeder beliebigen Geistesstörung ähnlich sind.

Wohlverstanden: Es handelt sich um Ähnlichkeiten. Sie sehen Geisteskrankheit insofern ähnlich, als die Versuchsperson wie ein Geisteskranker handelt. Sie würde aber nicht geisteskrank sein. Im Augenblick der Aufhebung der Suggestion – indem die Person informiert wird, daß es sich um eine Suggestion handelte – wird die Aberration (und alle diese Geistesstörungen usw. fallen unter die Rubrik der Aberration), zumindest theoretisch gesehen, verschwinden.

Die Nachbildung von Aberrationen aller Arten und Formen bei Versuchspersonen, die hypnotisiert oder unter Drogen gesetzt wurden, hat bewiesen, daß es einen Bereich des Verstandes gibt, der mit dem Bewußtsein nicht in Verbindung ist, der aber Daten enthält.

Es war die Suche nach diesem Teilbereich des Verstandes, die zur Lösung des Problems der Geisteskrankheit, der psychosomatischen Leiden und anderer Aberrationen führte. Das Problem wurde nicht mit Hypnose angegangen; Hypnose war lediglich eines der Hilfsmittel, eines, das in der dianetischen Praxis nur bedingten Wert hat und in der Tat überhaupt nicht benötigt wird.

Wir sprechen also von einer Person, die normalerweise vernünftig handelt. Man gibt ihr eine positive Suggestion ein, wonach sie sich vorübergehend wie geistesgestört aufführt. Ihre geistige Gesundheit ist dann wieder hergestellt, wenn ihr die Suggestion bewusst gemacht wird. In diesem Augenblick verliert sie ihre Macht über die Person. Mit dem eigentlichen Mechanismus von Geisteskrankheit hat dies aber lediglich eine gewisse Ähnlichkeit. Echte Geisteskrankheit (also eine, die nicht durch einen Hypnotiseur eingegeben wurde) braucht nicht ins Bewußtsein zu gelangen, um zu verschwinden. Dies ist einer der Unterschiede zwischen Hypnose und der tatsächlichen Ursache von Aberration. Hypnose veranschaulicht jedoch die mechanischen Faktoren der Aberration.

Betrachten wir noch einmal das erste Beispiel einer positiven Suggestion. Die Versuchsperson war »bewußtlos« in dem Sinne, daß sie nicht über volles Bewußtsein und volle Selbstbestimmung verfügte. Man gab ihr den Auftrag, etwas zu tun, und der Auftrag war ihrem Bewußtsein verborgen. Der Hypnotiseur befahl ihr, ein Signal zu beachten. Sobald dieses Signal kam, führte die Versuchsperson die betreffende Handlung aus. Sie gab für diese Handlung Gründe an, die nicht den wirklichen Gründen entsprachen. Die Person fand am Hypnotiseur und an seiner Kleidung etwas auszusetzen, sah aber nicht, daß der Schlips das Signal für ihr Handeln war. Als die Suggestion aufgehoben war, empfand die Versuchsperson nicht mehr den Zwang, so zu handeln.

Das sind die Faktoren der Aberration. Weiß man einmal genau, welche Faktoren tatsächlich Aberrationen ausmachen und wo sie einzuordnen sind, ist das ganze Problem leicht zu begreifen. Auf den ersten Blick erscheint es unglaublich, daß die Ursache für geistige Störungen, nach der jahrtausendelang geforscht wurde, so völlig verborgen bleiben konnte. Beim zweiten Blick jedoch erscheint es eher wie ein Wunder, daß die Ursache über­haupt je entdeckt wurde, denn sie ist geschickt und gut verborgen.

»Bewußtlosigkeit« jener Art, die nicht durch Hypnose herbeigeführt wird, ist derber. Es erfordert mehr als einige magische Handbewegungen, um die »Bewußtlosigkeit« hervorzurufen, die Geisteskrankheit verursacht.

Der Schock bei Unfällen, die Betäubungsmittel, die man bei Operationen verwendet, Schmerz infolge von Verletzungen und das Delirium von Krankheiten – dies sind die Hauptursachen dessen, was wir als »Bewußtlosigkeit« bezeichnen.

In unserer vergleichenden Darstellung des Verstandes zeigt sich dies als ein sehr einfacher Mechanismus. Mit dem Eindringen einer zerstörerischen Woge körperlichen Schmerzes oder eines dominierenden Giftes, wie z.B. Äther, fliegen einige oder alle Sicherungen des analytischen Verstandes heraus. Und mit dem analytischen Verstand fällt auch das aus, was wir als Standard-Gedächtnisbanken kennen.

Solche Zeiten der »Bewußtlosigkeit« sind Lücken in den Standard-Gedächtnisbanken. Diese fehlenden Perioden bilden die in der Dianetik sogenannte Bank des reaktiven Verstandes.

Aus den Zeiten, in denen der analytische Verstand voll in Betrieb ist, zusammen mit den Zeiten, in denen der reaktive Verstand am Werk ist, ergibt sich eine zusammenhängende Folge ununterbrochener Aufzeichnungen des gesamten Lebens.

Während der Zeiten, in denen der analytische Verstand ganz oder teilweise aus dem Schaltkreis herausfällt, schaltet sich der reaktive Verstand ganz oder teilweise ein. Mit anderen Worten, wenn beim analytischen Verstand so viele Sicherungen heraus sind, daß er zur Hälfte ausfällt, ist der reaktive Verstand zur Hälfte eingeschaltet. Im Grunde sind solche exakten Prozentangaben nicht möglich, sie sind hier nur als Näherungswerte zu verstehen.

Wenn ein Mensch ganz oder teilweise »bewußtlos« ist, schaltet sich der reaktive Verstand ganz oder teilweise ein. Ist er aber vollständig bei Bewußtsein, so beherrscht sein analytischer Verstand den Organismus vollkommen. Wenn sein Bewußtsein reduziert wird, schaltet sich der reaktive Verstand im entsprechenden Verhältnis in den Schaltkreis ein.

Die Augenblicke der »Bewußtlosigkeit« im Leben eines Menschen sind überwiegend Momente, die gegen das Überleben gerichtet sind. Darum ist es lebenswichtig, daß irgendetwas einspringt, das ihn Bewegungen ausführen läßt, die den Organismus retten. Der Boxer, der schwer angeschlagen weiterkämpft, oder jemand, der sich mit Verbrennungen aus dem Feuer schleppt, sollen hier als Beispiel für jene Fälle stehen, in denen der reaktive Verstand sich als wertvoll erweist.

Der reaktive Verstand ist sehr robust. Und er muß es sein, um sich gegen die Schmerzwellen, die jedes sonstige bewußte Empfinden im Körper ausschalten, behaupten zu können. Er ist nicht besonders verfeinert. Aber er ist ganz außerordentlich exakt. Seine Berechnungsfähigkeit liegt auf einer primitiven Ebene – unterhalb des Niveaus eines Geistesschwachen. Von einem Verstand, der in Funktion bleibt, wenn der Körper zerschmettert oder verbrannt wird, kann man natürlich nur geringe Fähigkeiten erwarten.

Die reaktive Bank speichert nicht Erinnerungen, wie wir uns Erinnerungen vorstellen. Sie speichert Engramme. Diese Engramme sind vollständige, bis ins kleinste Detail gehende Aufzeichnungen von allen Wahrnehmungen, die während der Zeit einer teilweisen oder vollständigen Bewußtlosigkeit vorhanden waren. Sie sind ebenso exakt wie jede andere Aufzeichnung im Organismus, doch haben sie ihre eigene Kraft. Sie wären mit Schallplattenaufnahmen oder Filmstreifen vergleichbar, wenn diese alle Wahrnehmungen – Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Organempfindungen usw. – enthalten könnten.

Zwischen einem Engramm und einer Erinnerung besteht jedoch ein ganz deutlicher Unterschied. Ein Engramm kann in jeden beliebigen Körperschaltkreis bleibend eingebaut sein und führt sich wie ein eigenständiges Wesen auf. Aus allen Labortests, die mit diesen Engrammen durchgeführt wurden, ging hervor, daß sie über »unerschöpfliche« Kraftquellen verfügten, um dem Körper Befehle zu erteilen. Wie oft auch ein Engramm bei einem Menschen reaktiviert wurde, es blieb machtvoll, ja wurde sogar noch stärker in seiner Kraftentfaltung, je öfter man es reaktivierte. Allein jene Technik, die sich zur dianetischen Therapie ent­wickelte und die im dritten Teil dieses Buches vollständig beschrieben wird, war überhaupt in der Lage, an diesen Engrammen zu rütteln.

Ein Beispiel für ein Engramm: Eine Frau wird mit einem Hieb »bewußtlos« geschlagen. Sie wird mit Fußtritten traktiert, und es wird ihr vorgeworfen, eine Betrügerin zu sein, nichts zu taugen und ständig ihre Meinung zu ändern. Gleichzeitig wird ein Stuhl umgeworfen, in der Küche läuft Wasser aus einem Wasserhahn, und auf der Straße fährt ein Auto vorbei. Das Engramm enthält die fortlaufende Aufzeichnung aller Wahrnehmungen: des Gesehenen, Gehörten, Berührten, Geschmeckten, Gerochenen, der Organ- und Bewegungsempfindung, jede Gelenkstellung, Durstaufzeichnung usw. Das Engramm enthält alle Äußerungen, die während der »Bewußtlosigkeit« an die Frau gerichtet wurden, sowie Tonfall und Emotion in der Stimme des Angreifers, das Geräusch und die Empfindung des Hiebs und der Fußtritte, das Gefühl der Berührung mit dem Boden, Emp­findung und Geräusch des umfallenden Stuhls, die organische Empfindung des Schlags, eventuell Blutgeschmack oder einen anderen Geschmack im Mund, den Geruch des Angreifers, die Gerüche im Zimmer, die Geräusche, die durch die Reifen und den Motor des vorbeifahrenden Autos entstanden, und vieles mehr.

All dies könnte man mit einer positiven Suggestion vergleichen. Aber hier ist noch etwas anderes, etwas Neues im Spiel, etwas, das in den Standard-Gedächtnisbanken nicht vorhanden ist, außer vom Zusammenhang her: Körperlicher Schmerz und schmerzliche Emotion.

Körperlicher Schmerz und schmerzliche Emotion machen den Unterschied zwischen den Standard-Gedächtnisbanken und den reaktiven Engrammbanken aus. Körperlicher Schmerz und schmerzliche Emotion bilden auch den Unterschied zwischen einem Engramm, das die Ursache für Aberration – für alle Aberration – ist, und einer Erinnerung.

Wir haben alle einmal gehört, daß schlimme Erfahrungen für das Leben hilfreich seien und daß der Mensch ohne sie nie gescheit werde. Das mag sehr wahr sein. Aber das Engramm fällt nicht unter diese Regel. Das Engramm ist keine Erfahrung, sondern ein Befehl zu handeln.

Bevor der Mensch über ein umfangreiches Vokabular verfügte, waren Engramme vielleicht in einem gewissen Grade nützlich für ihn. Sie bedeuteten Überleben auf eine Art und Weise, die später noch erläutert wird. Aber seit der Mensch sich eine feinsinnige Sprache mit Wörtern, die gleich lauten, aber verschiedene Bedeutungen haben, ja seit er sich überhaupt eine Sprache angeeignet hat, sind ihm Engramme eine weitaus größere Belastung als eine Hilfe. Und jetzt, nachdem der Mensch ein recht gutes Entwicklungsstadium erreicht hat, schützen sie ihn überhaupt nicht mehr, sondern sie machen ihn wahnsinnig, untüchtig und krank.

Der Beweis für jede Behauptung liegt in ihrer Anwendbarkeit. Wenn die Engramme aus der Bank des reaktiven Verstandes getilgt werden, steigern sich Vernunft und Leistungsfähigkeit in sehr starkem Maße, die Gesundheit verbessert sich bedeutend, und der Mensch denkt vernünftig gemäß dem Verhaltensmuster des Überlebens. Das bedeutet, daß er Freude am Leben und an der Gesellschaft anderer Menschen hat, daß er konstruktiv und schöpferisch ist. Er würde nur dann zerstörerisch handeln, wenn der Bereich seiner Dynamiken wirklich bedroht ist.

In diesem Stadium der Entwicklung des Menschen haben die Engramme also einen ausschließlich negativen Wert. Als er sich noch nicht so sehr von seinen Tiervettern unterschied (die alle einen reaktiven Verstand der gleichen Art haben), mögen solche Daten für ihn nützlich gewesen sein. Mit der Sprache und der veränderten Lebensweise sind Engramme jedoch zu einem ausgesprochenen Nachteil für den Menschen geworden und haben für ihn heute keinerlei konstruktiven Wert mehr.

Der reaktive Verstand war ursprünglich zur Sicherung des Überlebens bestimmt. Er gibt noch vor, in dieser Weise zu wirken, doch seine unglaublichen Fehler führen heute nur noch in die entgegengesetzte Richtung.

Es gibt drei Arten von Engrammen, die alle aberrierend sind. Erstens gibt es das überlebensfeindliche Engramm, das körperlichen Schmerz, schmerzliche Emotion, alle anderen Wahrnehmungen und eine Bedrohung des Organismus enthält. Ein Kind, das von einem Sittenstrolch nieder­geschlagen und mißbraucht wird, empfängt diesen Engrammtyp. Das überlebensfeindliche Engramm enthält scheinbare oder wirkliche Feindseligkeit gegen den Organismus.

Der zweite Engrammtyp ist das überlebensfreundliche Engramm. Beispiel: Ein Kind, das mißhandelt wurde, ist krank. In diesem Zustand, während es teilweise oder völlig bewußtlos ist, wird ihm gesagt, daß man sich um es kümmern wird, daß man es wirklich liebt usw. Dieses Engramm wird nicht als überlebensfeindlich, sondern als überlebensfreundlich aufgefaßt, es scheint das Überleben zu fördern, ist jedoch aberrierender als der erste Typ, da es durch das Gesetz der Affinität (Anziehung, Zuneigung) verstärkt wird. Affinität ist der Furcht an Kraft immer überlegen. Die Hypno­se macht sich in ihrer Mitgefühlsbekundung gegenüber einer künstlich bewußtlos gemachten Versuchsperson dieses Merkmal des reaktiven Verstandes zunutze. Hypnose ist jedoch in sich begrenzt, da sie den Faktor des körperlichen Schmerzes und der schmerzlichen Emotion nicht enthält, also die Dinge, die Engramme außer Sicht und unter der Bewußtseinsschwelle verankert halten

Drittens gibt es das Engramm mit schmerzlicher Emotion, das den anderen Engrammen ähnlich ist. Es wird durch den Schock plötzlichen Verlustes verursacht, beispielsweise durch den Tod einer geliebten Person.

Die Bank des reaktiven Verstandes besteht ausschließlich aus diesen Engrammen, folglich denkt der reaktive Verstand ausschließlich mit diesen Engrammen. Und er »denkt« mit ihnen in einer Weise, die Korzybski in hellen Zorn versetzen wurde, denn der reaktive Verstand »denkt« nach dem Prinzip der vollständigen Gleichsetzung, das heißt in Identitäten (eine Sache ist mit der anderen identisch).

Beim analytischen Verstand sähen Berechnungen über Äpfel und Würmer vermutlich folgendermaßen aus: Manche Äpfel haben Würmer, andere nicht; wenn man in einen Apfel beißt, findet man gelegentlich einen Wurm, außer wenn der Apfel rundum besprüht worden ist; Würmer hinterlassen Löcher in Äpfeln.

Wenn jedoch der reaktive Verstand eine Berechnung über Äpfel und Würmer anstellen würde, sähe das entsprechend den darüber in seiner Engrammbank vorhandenen Daten folgendermaßen aus: Äpfel sind Würmer sind Bisse sind Löcher in Äpfeln sind Löcher in allem sind Äpfel und immer sind Würmer sind Äpfel sind Bisse usw.

Der analytische Verstand kann die verblüffendsten Berechnungen der höheren Mathematik, die geschickten Wendungen der symbolischen Logik und die für den Brückenbau oder die Schneiderei nötigen Berechnungen durchführen. Jede mathematische Gleichung, die jemals aufgestellt wurde, kam vom analytischen Verstand und könnte von ihm bei der Lösung ganz alltäglicher Probleme angewandt werden.

Nicht so der reaktive Verstand! Der ist unglaublich simpel; man kann von ihm sagen, daß er bei seiner Arbeit nur eine einzige Gleichung benutzt: A = A = A = A = A.

Beginnen Sie jede beliebige Berechnung mit dem reaktiven Verstand – natürlich mit den Daten, die er enthält –, und Sie werden sehen, daß jeder Inhalt einer Erfahrung für den reaktiven Verstand genau dasselbe ist wie jeder andere Inhalt derselben Erfahrung.

Eine analytische Berechnung über die Frau im obigen Beispiel, die von ihrem Mann getreten wurde, könnte folgendermaßen lauten: Frauen können in Situationen geraten, in denen sie getreten und verletzt werden, und es hat Männer gegeben, die Frauen getreten und verletzt haben.

Eine Berechnung des reaktiven Verstandes über dieses Engramm als Engramm würde lauten: der Schmerz des Fußtritts ist gleich der Schmerz des Schlages ist gleich der umfallende Stuhl ist gleich das vorbeifahrende Auto ist gleich der Wasserhahn ist gleich die Tatsache, daß sie eine Betrügerin ist, ist gleich die Tatsache, daß sie nichts taugt, ist gleich die Tatsache, daß sie ihre Meinung ändert, ist gleich der Tonfall des Mannes ist gleich die Emotion ist gleich eine Betrügerin ist gleich ein laufender Wasserhahn ist gleich der Schmerz des Fußtritts ist gleich die Organempfindung in diesem Körperbereich ist gleich der umfallende Stuhl ist gleich Meinungsänderung ist gleich … Doch warum fortfahren? Jede einzelne Wahrnehmung in diesem Engramm ist gleich jede andere Wahrnehmung in diesem Engramm. Wie? Das ist verrückt? Ganz genau!

Betrachten wir noch einmal unser Beispiel mit der posthypnotischen positiven Suggestion, die eine Versuchsperson veranlaßt, sich immer wieder die Jacke an- und auszuziehen. Dieses Beispiel zeigt uns die sichtbaren Faktoren der Arbeitsweise des reaktiven Verstandes.

Diese posthypnotische Suggestion bedürfte nur einer emotionellen Ladung und körperlichen Schmerzes, und es entstünde ein gefährliches Engramm. In gewissem Sinne ist die Suggestion ja schon ein Engramm – sie wird durch die mitfühlende Beziehung zwischen Hypnotiseur und Versuchs­person eingegeben, was sie zu einem Mitgefühlsengramm, d. h. zu einem »überlebensfreundlichen Engramm« macht.

Wir wissen, daß der Hypnotiseur nur seinen Schlips zu berühren brauchte, um die Versuchsperson nach der Hypnose zum Ausziehen ihrer Jacke zu bewegen. Die Person wußte nicht, was sie dazu veranlaßte. Sie fand für ihre Handlungsweise alle möglichen Erklärungen, nur nicht die richtige. Diese ist: Das Engramm, in diesem Fall die posthypnotische Suggestion, war tatsächlich in die Bank des reaktiven Verstandes eingegeben worden. Es befand sich unterhalb der Bewußtseinsschwelle. Von dort aus zwang es die Person zum Handeln. Es wirkte auf die Muskeln ein und ließ die Versuchsperson ihre Jacke ausziehen. Es bestand aus Daten, die unterhalb der Kontroll­ebene des analytischen Verstandes in die Schaltkreise des Organismus eingebaut wurden, und es wirkte nicht nur auf den Körper, sondern auch auf den analytischen Verstand selbst ein. Wenn dieser Mann jedes Mal seine Jacke auszöge, sobald er jemanden seine Krawatte berühren sieht, würde ihn die Gesellschaft für etwas gestört halten. Und doch könnte er darüber nicht frei entscheiden. Hätte er versucht, dem Hypnotiseur einen Strich durch die Rechnung zu machen und sich zu weigern, die Jacke auszuziehen, so hätte er sich außerordentlich unbehaglich gefühlt.

Betrachten wir nun ein Beispiel für die Arbeitsweise des reaktiven Verstandes bei einer niedrigeren Lebensform. Ein Fisch schwimmt in seichtes Wasser hinein, das gelblich und leicht salzig ist und nach Eisen schmeckt. Er hat gerade einige Krabben im Maul, als ein größerer Fisch auf ihn zugeschossen kommt und seinen Schwanz rammt.

Dem kleinen Fisch gelingt es zu entkommen, aber er hat einen körperlichen Schaden davongetragen. Da aber der kleine Fisch nur unbedeutendes analytisches Vermögen besitzt, beruht die Entscheidung über seine Handlungen größtenteils auf Reaktion.

Sein Schwanz heilt, und er zieht weiter seiner Wege. Doch eines Tages greift ihn ein größerer Fisch an und stößt gegen seinen Schwanz. Diesmal ist er nicht ernstlich verletzt, sondern hat nur einen Stoß abbekommen. Aber etwas ist geschehen. Irgendetwas in seinem Inneren nimmt an, daß er nun aber nachlässig in seinen Handlungen ist, denn zum zweiten Mal wurde die gleiche Körperstelle verletzt.

Die Berechnung auf dem reaktiven Niveau des Fisches lautet: Seichtes Wasser ist gleich leicht salziges Wasser ist gleich gelblich ist gleich Eisengeschmack ist gleich Schmerz im Schwanz ist gleich Krabben im Maul, und jedes davon gleicht dem anderen.

Der Stoß an den Schwanz beim zweiten Mal ließ das Engramm einkeyen. Er zeigte dem Organismus, daß so etwas wie der erste Unfall wieder geschehen könnte (Denken in Identitäten). Darum Vorsicht!

Später schwimmt der kleine Fisch wieder einmal in leicht salziges Wasser hinein, und es macht ihn etwas »nervös«. Doch schwimmt er weiter, und nun wird das Wasser auch noch gelblich. Noch immer kehrt er nicht um. Er beginnt leichte Schmerzen im Schwanz zu verspüren. Aber er schwimmt immer noch weiter. Auf einmal nimmt er Eisengeschmack wahr, und der Schmerz in seinem Schwanz wird stark. Plötzlich schießt er wie ein Blitz davon. Kein Fisch hatte ihn verfolgt. Er hätte dort Krabben finden können, dennoch schoß er davon. Gefährliche Stelle! Und wäre er nicht von dort weggeschwommen, dann hätte er sich noch stärkere Schmerzen in seinem Schwanz zugezogen.

Dieser Mechanismus ist eine Art Überlebenshandlung. Bei einem Fisch mag er von Nutzen sein. Bei einem Menschen jedoch, der sich jedes Mal die Jacke auszieht, wenn jemand die Krawatte berührt, hat dieser Überlebens­mechanismus längst seinen Sinn verloren. Er ist aber noch da!

Lassen Sie uns das Beispiel des jungen Mannes mit der Jacke noch weiter untersuchen. Der Auslöser zum Ausziehen der Jacke war genau bestimmt. Der Hypnotiseur berührte seinen Schlips. Das entspricht jeder der Wahrnehmungen, die der Fisch aufnahm und die ihn umkehren ließen. Statt der Berührung des Schlipses hätte ein Dutzend anderer Dinge das Zeichen zum Ausziehen der Jacke sein können.

Bei der Frau, die bewußtlos geschlagen und getreten wurde, hat jede Wahrnehmung des ihr eingeprägten Engramms eine Eigenschaft der Restimulation. Aus einem Wasserhahn laufendes Wasser würde sie möglicherweise nicht besonders berühren. Aber das herauslaufende Wasser plus ein Auto, das vorbeifährt, das könnte bereits eine leichte Reaktivierung des Engramms einleiten, also ein vages Unbehagen an den Stellen hervorrufen, wo sie geschlagen und getreten wurde; noch nicht groß genug, um ihr wirklich Schmerz zu bereiten, aber es ist auf jeden Fall vorhanden. Kommt zu dem laufenden Wasser und dem vorbeifahrenden Auto der harte Fall eines Stuhles hinzu, dann erlebt sie einen Schock, der jedoch noch verhältnismäßig mild ist. Kommt nun noch der Geruch und die Stimme des Mannes hinzu, der sie getreten hat, wird der Schmerz sich steigern. Der Mechanismus gibt ihr zu verstehen, daß sie sich in einer gefährlichen Gegend befindet und sich entfernen sollte. Aber sie ist kein Fisch, sie ist ein sehr bewußt empfindendes Wesen von der kompliziertesten geistigen Struktur, die sich nach unserer Kenntnis bisher auf der Erde entwickelt hat. Sie ist ein Mensch, bei dem neben dem einen Engramm noch viele andere Faktoren eine Rolle spielen. Sie bleibt. Die Schmerzen an den Stellen, wo sie mißhandelt wurde, fördern Krankheitsentstehung oder sind schon an sich eine chronische Krankheit. Diese ist freilich unbedeutend, soweit sie von dem einen Geschehnis herrührt, aber sie ist nichtsdestoweniger eine Krankheit. Ihre Zuneigung zu dem Mann, der sie schlug, ist vielleicht so groß, daß ihr analytisches Niveau, unterstützt von einer allgemein hohen Tonstufe, den Schmerzen die Stirn bieten kann. Aber wenn dieses Niveau nicht hoch ist und auch keine nennenswerte Unterstützung erfährt, dann können die Schmerzen sehr groß werden.

Der Fisch, der auf eine solche Art Schmerz erfuhr und ein Engramm davontrug, verschmäht Krabben danach durchaus nicht. Sie mögen ihm vielleicht etwas weniger begehrenswert erscheinen, aber der Überlebenswert des Krabbenfressens bewirkt, daß Krabben noch immer weit mehr mit Vergnügen als mit Schmerz gleichgesetzt werden.

Ein angenehmes und hoffnungsvolles Leben im allgemeinen – und glauben Sie nicht etwa, wir wollten andeuten, die Frau bliebe nur des Essens wegen, was auch immer die Satiriker über Frauen gesagt haben – enthält ein hohes Überlebenspotential, mit dem sich eine Menge Schmerzen überwinden lassen. Wenn jedoch das Überlebenspotential abnimmt, kommt man der Schmerz-Ebene (Zone 0 und Zone 1) immer näher, und dann könnte ein solches Engramm bald ernstlich re­aktiviert werden.

Neben dem Schmerz gibt es hier jedoch noch einen weiteren Faktor – ja sogar mehrere. Wenn dem jungen Mann mit der Jacke eine der neurotischen positiven Suggestionen, wie sie einige Seiten früher aufgezählt wurden, eingegeben worden wäre, dann hätte er auf Signal auch darauf reagiert.

Das Engramm der geschlagenen Frau enthält, ganz abgesehen von den allgemeinen Restimulatoren wie dem Wasserhahn, dem Auto und dem umfallenden Stuhl, eine zur Neurose hinführende positive Suggestion. Ihr Mann hat ihr gesagt, sie sei eine Betrügerin, sie tauge nichts und sie ändere ständig ihre Meinung. Wird das Engramm auf eine der vielen möglichen Arten restimuliert, hat sie das »Gefühl«, nichts zu taugen und eine Betrügerin zu sein, und sie wird ihre Meinung ändern.

Es liegen mehrere Fälle vor, die besonders deutlich diese traurige Entwicklung illustrieren. Da war eine Frau (die später zum Clear gemacht wurde) wiederholt schwer geschlagen worden, wobei man ihr jedes Mal ähnliche herabwürdigende Dinge sagte, die darauf hinausliefen, daß sie sehr unmoralisch sei und mit jedem schliefe. Ihr Vater brachte sie zur Behandlung, nachdem sie geschieden war, und klagte, sie sei sehr unmoralisch und habe jede Woche mit einem anderen Mann geschlafen. Sie gab das selbst zu, konnte jedoch nicht verstehen, woher das kam, es bekümmerte sie, aber sie konnte es ganz einfach nicht ändern. Die Untersuchung der Engramme in der Bank ihres reaktiven Verstandes brachte eine lange Reihe von Mißhandlungen und Vorwürfen dieses Inhalts zum Vorschein. Da es sich hier um eine Sache der Forschung und nicht der Behandlung handelte – obwohl diese ebenfalls erfolgte –, wurde mit ihrem früheren Mann Kontakt aufgenommen. Eine Untersuchung, die ohne ihr Wis­sen durchgeführt wurde, ergab, daß seine Wut-Dramatisationen genau diese Vorwürfe enthalten hatten. Er hatte seine Frau in die Unmoral hinein­geprügelt, weil er sich vor unmoralischen Frauen fürchtete.

Alle im Laufe dieser Forschungsarbeit untersuchten Fälle wurden nachgeprüft, und zwar wurden die Engramme des Patienten mit den Engrammen des Verursachers verglichen. Soweit es möglich war, wurde der Inhalt der Geschehnisse überprüft, und es wurde in allen Fällen Über­einstimmung festgestellt. Um Absprachen auszuschließen, wurden alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Alles, was man bei den Patienten in Zeiten von »Bewußtlosigkeit« fand, wurde durch den Vergleich mit anderen Quellen ausnahmslos bestätigt.

Der Vergleich zwischen Hypnose und Aberration erweist sich als frucht­bar. Hypnose pflanzt durch positive Suggestion Geistesgestörtheit in der einen oder anderen Form ein. Gewöhnlich handelt es sich um eine vorübergehende Einpflanzung, doch manchmal läßt sich die hypnotische Suggestion nicht so aufheben oder entfernen, wie der Hypnotiseur es sich wünscht. Die Gefahr von Hypnoseexperimenten an Patienten, die nicht Clear sind, liegt in einem anderen Mechanismus reaktiver Art begründet.

Bei dem Engramm in unserem obigen Beispiel (und das gleiche geschieht bei anderen solchen Engrammen) war die Frau offenbar »bewußtlos«, als sie das Engramm empfing. Sie hatte keine Standardbank-Erinnerung (Aufzeichnung) des Geschehnisses, außer dem Wissen, daß sie von dem Mann ohnmächtig geschlagen worden war. Das Engramm war also keine Erfahrung im üblichen Sinn. So konnte es »von unten her« arbeiten und ihre Denkprozesse aberrieren. Es konnte an den verletzten Stellen seltsame Schmerzen hervorrufen, die sie anderen Ursachen zuschrieb. Das Engramm war ihr jedoch nicht bekannt.

Das Engramm mußte einkeyen, um aktiviert zu werden. Aber was genau konnte es einkeyen? Zu einem späteren Zeitpunkt, als sie müde war, drohte der Mann, sie wieder zu schlagen, und bedachte sie von neuem mit Schimpfnamen. Das war nun für die Frau ein Erlebnis auf bewußter Ebene; sie empfand es als »seelisch schmerzhaft«. Aber es war nur darum »seelisch schmerzhaft«, weil die Erfahrung wirklich durchlebter körperlicher Schmerzen ungesehen darunter lag. Durch das bewußte Erlebnis war sie eingekeyt worden. Dieses zweite, bewußte Erlebnis war ein Lock. Es war eine Erinnerung, übte aber eine neuartige Wirkung in den Standardbanken aus; es hatte zu viel Kraft, und es bezog diese Kraft aus einem früheren Schlag auf den Körper. Der reaktive Verstand geht nicht gerade sorgfaltig mit der Zeit um. Er kann tatsächlich, wenn ein Key-in einsetzt, zwischen dem Alter von einem Jahr und dem Alter von neunzig Jahren nicht unterscheiden. Das Engramm selbst ist unter die Standard-Gedächtnisbank gerückt.

Die Frau glaubt, über das bekümmert zu sein, was der Mann in dem zweiten Erlebnis, dem Lock, sagte. In Wirklichkeit bekümmert sie das Engramm. Auf diese Art und Weise werden Erinnerungen »schmerzhaft«. Schmerz aber wird nicht in den Standardbanken gespeichert; in dieser Bank gibt es für Schmerz einfach keinen Platz. Absolut keinen. Es gibt nur Platz für die Vorstellung von Schmerz. Und diese Vorstellungen darüber, was schmerzhaft ist, sind hinreichend, um den vernunftbegabten Organismus Mensch von allen Schmerzen, die er für wirklich gefährlich hält, fernzuhalten. Bei einem Clear gibt es keine schmerzerregenden Erinnerungen, da keine Aufzeichnungen mit körperlichem Schmerz mehr vor­­handen sind, die aus der Bank des reaktiven Verstandes heraus die Maschinerie ruinieren könnten.

Der junge Mann, der immer die Jacke aus- und anzog, wußte nicht, was ihn plagte bzw. zu diesen Handlungen veranlaßte. Ein Mensch mit einem Engramm weiß nicht, was ihn quält. Er glaubt, es sei das Lock. Das Lock aber kann von aller wirklichen Ähnlichkeit mit dem Engramm weit entfernt sein. Es kann ähnliche Wahrnehmungen enthalten, kann aber in einem völlig anderen Zusammenhang stehen.

Die Wirkungsweise dieser Engramme ist nicht sehr schwer zu verstehen. Sie sind einfach Augenblicke von körperlichem Schmerz, der stark genug ist, um die analytische Maschinerie ganz oder teilweise auszuschalten. Sie enthalten Feindseligkeit gegen das Überleben des Organismus oder ein für sein Überleben scheinbar förderliches Mitgefühl. Das ist die vollständige Definition. Engramme bestehen somit aus tiefer oder leichter »Bewußtlosigkeit«, körperlichem Schmerz, Wahrnehmungsgehalt und überlebens­feindlichen oder überlebensfreundlichen Daten. Sie werden vom reaktiven Verstand, der ausschließlich in Identitäten denkt (alles gleicht allem), benutzt. Und sie zwingen dem Organismus ihre Befehle auf, indem sie die Peitsche des körperlichen Schmerzes schwingen. Verhält sich der Or­ganismus nicht genau so, wie sie es verlangen (was übrigens unmöglich ist; jeder Clear wird Ihnen das bestätigen), dann setzt der körperliche Schmerz ein. Die Engramme steuern einen Menschen wie ein Dompteur einen Tiger – und sie können aus einem Menschen dabei auch mühelos einen Tiger machen und ihm obendrein noch die Räude verschaffen.

Hätte der Mensch nicht die Sprache erfunden, oder (wie noch zu zeigen ist) enthielten seine Sprachen nicht so viele gleichlautende Wörter von unterschiedlicher Bedeutung und mehrdeutige persönliche Fürwörter, dann wären Engramme auch jetzt noch Überlebensdaten, und der Mechanismus würde funktionieren. Aber der Mensch ist über ihre Brauchbarkeit hinausgewachsen. Er wählte zwischen Sprache und potentiellem Wahnsinn und handelte sich für die außerordentlichen Vorteile der ersteren den Fluch des letzteren ein.

Das Engramm ist die ausschließliche Ursache von Aberration und psycho­somatischer Krankheit.

Eine enorme Datenmenge ist sorgfältig gesichtet worden. Nicht eine einzige Ausnahme wurde gefunden. Sowohl bei »normalen« Menschen als auch bei Neurotikern und Geisteskranken hat die vollständige oder teilweise Beseitigung der Engramme ohne jede andere Therapie durchweg zu einem Zustand geführt, der die gegenwärtige Norm weit übersteigt. Zur Behandlung aller geistigen und psychosomatischen Störungen genügt nach diesen Ergebnissen die ausschließliche Anwendung der Theorie und der therapeu­tischen Methoden der Dianetik, wie sie in diesem Buch beschrieben sind.