Das Überlebensfreundliche Engramm

Das kann jedes Engramm sein, das aufgrund des Inhalts den Anschein erweckt, das Überleben zu fördern, wobei überlebens­freundlich nicht heisst, dass es für jemanden, der das Engramm hat, irgendeinen wirklichen Nutzen hat. Betrachten wir ein Beischlaf­engramm: Mutter und Vater sind beim Geschlechtsverkehr, der in­folge des Drucks für das ungeborene Kind schmerzhaft ist und es »bewusstlos« macht (ein ganz gewöhnliches Ereignis, so wie das mor­gendliche Erbrechen; es ist normalerweise in jeder Engrammbank vorhanden). Die Mutter sagt: »Oh – ohne das kann ich nicht leben. Es ist wunderbar. Es ist wunderbar. Oh – wie schön. Mach das noch einmal!« Der Vater sagt: »Komm! Komm! Oh – du bist so phantas­tisch. Du bist so wunderbar! Ahhhh!« Der Orgasmus der Mutter gibt der »Bewusstlosigkeit« des Kindes den letzten Schliff. Die Mutter sagt: »Es ist schön.« Der Vater, der jetzt fertig ist, sagt: »Mach, dass du hochkommst«, und meint damit, sie solle eine Spülung machen (beide wissen nicht, dass sie schon schwanger ist); dann beginnt er zu schnarchen.

Ganz offensichtlich ist das ein wertvolles Geschehnis, denn man »kann ohne das nicht leben«. Ferner ist es »schön«, und »es ist wun­derbar«. Es ist aber auch (für den Embryo) ausserordentlich schmerz­haft. Man kann ihm nicht gehorchen, denn zuerst enthält es etwas, das einen Teil des Verstandes zurücklockt – »Komm!« —, und später sagt es ihm: »Mach, dass du hochkommst.« Dinge, die »schön« und »wun­derbar« sind, können unsere Patientin ausserhalb der Therapie einen Orgasmus erleben lassen, wenn sie schöne und wunderbare Dinge anschaut, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie so bezeichnet werden.

Dieses Engramm kann entweder in der Vater- oder in der Mut­tervalenz dramatisiert werden. Würde man es in der eigenen Valenz dramatisieren, hätte das körperliche Schmerzen zur Folge. Man wird daher finden, dass die Person, die dieses Engramm hat, nach dem Geschlechtsakt wie Vater ist, nämlich angewidert, und den Partner auffordert: »Mach, dass du hochkommst« – allenfalls abgewandelt durch ihre anderen Beischlafengramme. Die Emotion ist darin ent­halten wie die Worte »Mach, dass du hochkommst« gesprochen wur­den; dies ist eine Übermittlung von Emotion durch den Tonfall, nicht durch den Wortgehalt; Engramme enthalten immer beides.

Während der Therapie bemerken wir, dass der reaktive Verstand dieses Engramm nur sehr zögernd ans Licht lässt, denn schliesslich: »ohne das kann ich nicht leben«. Es gibt in Engrammen zahllose solche Redewendungen vorteilhafter Bewertung, und immer, wenn der Auditor auf eine trifft, wird er feststellen, dass ihm der reaktive Verstand des Preclears etwas vorenthält: »Ich möchte dich nicht verlie­ren«, »Halte daran fest«, »Ich kann es nicht loslassen, ich würde fallen« usw. Aber wir haben es letzten Endes eben doch mit einem Engramm zu tun, und ob es nun »angenehm« ist oder nicht, es ist aberrierend.

Masochistische und sadistische Impulse stammen oft aus Bei­schlafengrammen mit entsprechendem Inhalt. Der Auditor soll also nicht annehmen, dass nur deswegen, weil dieser Geschlechtsakt für das Kind schmerzhaft ist, aus ihm ein Masochist oder Sadist werden wird. Wenn Masochismus oder Sadismus bei einem Patienten vor­handen sind, wird das durch Engramme verursacht, die Vergewalti­gung, Schläge zur sexuellen Befriedigung, Vergnügen an Schmerzen usw. enthalten, sowie durch Engramme, die doppeldeutig auszusa­gen scheinen, dass das Geschlechtliche und Schmerz gleich seien, z. B. wenn bei einem »normalen« Koitus gesagt wird: »Es tut so schön weh! Tu mir noch mal weh, Billy! Oh, stoss› ihn in mich hinein, tief hinein! Tu mir weh, so dass ich kommen kann!« Von einem Jungen dramatisiert, könnte das sehr wohl anale Homosexualität erzeugen, denn das Engramm ist keine beobachtete Handlung, sondern eine Reihe von Befehlen, die wörtlich genommen werden.

Unser erstes Beispiel für ein überlebensfreundliches Engramm, das obige Koitusengramm, ist also in dem Aberrationsmuster einer Person noch relativ harmlos. Jedoch könnten die Worte in diesem Engramm durch unglückliche Zusammensetzung einen gänzlich an­deren Aberrationseffekt entstehen lassen.

Das zweite Beispiel eines überlebensfreundlichen Engramms betrifft ein anderes vorgeburtliches Engramm. (Ein Auditor erwähn­te einmal während seiner eigenen Klärung, dass er sich sein Leben vor der Kenntnis der Dianetik als einen Zeitraum vorgestellt habe, in dem die Periode zwischen Empfängnis und Ge­burt ein Fünfzigstel des Abstands zwischen Empfängnis und Gegen­wart einnehme, dass er aber nun von der vorgeburtlichen Periode glaube, dass sie zwei Drittel der Entfernung zwischen dem Anfang und dem Jetzt ausmache. – Der vorgeburtliche Bereich ging für ihn schliesslich, nachdem er geklärt war, in seiner Bedeutung auf ein Fünfzigstel der Gesamtstrecke zurück.)

Die Mutter, die zu hohem Blutdruck neigte, verursachte in die­sem zweiten Beispiel dem ungeborenen Kind immer wieder grosse Schmerzen, besonders wenn sie aufgeregt war. (Das ist eine Hauptur­sache von Migräne.) Was den Blutdruck hochtrieb, als dieses En­gramm empfangen wurde, ist unbekannt – und ein Grossteil der »Sto­ry« des vorgeburtlichen Lebens mag unbekannt bleiben, da die Da­ten, die alles erklären würden, oft vor dem Schmerz und dem En­gramm liegen und da eine vollständige Aufzeichnung erst nach dem Augenblick des Schmerzes stattfindet, wenn eine gewisse »Bewusstlo­sigkeit« einsetzt. Zu Beginn des Engramms, als sich der Blutdruck zu erhöhen begann und das ungeborene Kind schmerzhaft davon aufge­bläht wurde, weinte die Mutter. Sie war allein. »Ach, wie soll ich da nur jemals herauskommen? Alles sieht so trüb und farblos aus. Ach, warum habe ich jemals damit angefangen? Ich kann da unmöglich durchkommen. Aber ich muss, ich muss. Ich wäre krank, würde ich das nicht tun. Gott, alles kommt auf einmal auf mich zu. Ich sitze total fest. Aber trotzdem, ich werde es durchstehen, ich werde mich besser fühlen. Ich werde tapfer sein und es tun. Ich muss einfach tapfer sein. Ich bin tapfer. Ich bin der tapferste Mensch der Welt. Ich muss es sein, und ich bin es.« Der Druck liess nach.

Worum es da genau ging, wird für den Auditor, der das En­gramm reduzierte, ebenso ein Geheimnis bleiben wie für den Patien­ten, den Autor und den Leser. So ist das oft bei Engrammen. Sie werden bei der Entstehung missverstanden, und sie brauchen inhalt­lich nicht verstanden zu werden; nur der mechanische Aspekt ist wichtig und ihre Tilgung aus der Engrammbank.

Dieses Engramm ist besonders gefährlich, denn es enthält eine manische Redewendung in den Worten »der tapferste Mensch der Welt«. »Ich« wird von dem (zum Zeitpunkt des Empfangs noch unge­borenen) Kind natürlich meist auf sich selbst bezogen, sobald das Engramm später auf einen Analysator Einfluss ausüben kann, in dem Sprache vorhanden ist. Vor diesem Augenblick gibt es natürlich nur eine Aufzeichnung ohne Wortbedeutung. Das Engramm kann allerdings aberrierend sein, noch bevor den Worten eine Bedeutung gegeben wird. – Es ist ausserdem gefährlich, weil es sagt: »Ich sitze fest«, und: »Alles kommt auf einmal auf mich zu.« »Festsitzen« ist unser Feind, der Holder. »Alles kommt auf einmal auf mich zu« hin­gegen ist ein Grouper. Ferner wird sich der Rest des Inhalts als En­gramm im Analysator nicht berechnen lassen. Es heisst: »Muss da durchkommen«, aber andererseits »kann man da nicht durchkom­men«; es sagt: »Ich wäre krank, würde ich das nicht tun«, aber es ist »unmöglich«. Da ja nach der Berechnungsmethode unseres schwach­sinnigen Gegners, des reaktiven Verstandes, alles gleich allem ist, wird dieses Engramm die Therapie sowohl anziehen als auch abstossen; es erzeugt im analytischen Verstand eine Unentschlossenheit, die uner­träglich ist.

Die Person mit diesem Engramm könnte sich – wie es als Aber­ration auch tatsächlich zur Wirkung kam – zuerst im manischen Teil befinden und der tapferste Mensch der Welt sein. Dann könnte sie – zeitlich etwas zurückverschoben durch einen kleinen Restimulatorenwechsel, wie beispielsweise eine Verschlimmerung ihrer Migräne – über all ihr Handeln äusserst unschlüssig werden und aufgrund der übertragenen Emotion, die in Mutters Tränen enthalten ist, sehr deprimiert sein. Es ist aber ein überlebensfreundliches Engramm, weil es scheinbar einen Weg diktiert, der aus einer Situation hinaus­führt. Als Zusatzfaktor ruft es durch die Aussage, dass »alles trüb und farblos aussieht« Farbenblindheit mindestens beim Rückruf hervor, so dass die zurückgerufenen Bilder der Vergangenheit im Verstand farb­los gesehen werden. Wenn dieses Engramm durch genügend viele nachfolgende Dramatisierungen gestärkt wird, kann es zu wirkli­cher Farbenblindheit führen. Das ganze Engramm kann – wenn noch andere Faktoren hinzukommen – die Person sehr wohl in eine Heil­anstalt bringen. Dabei kann ihr Somatik (Migräne) vollständig auf­gedreht werden, und zusätzlich können wegen des Groupers auch alle anderen Schmerzen auftreten, die sie je im Leben gespürt hat. Dieser Grouper packt den ganzen Time-Track der Engrammbank an eine Stelle und setzt dann die Person mitten hinein.

Als dieses Engramm in der Therapie berührt wurde, wurde eine Patientin, die als »geisteskrank« klassifiziert worden war, zum Re­lease gemacht und war damit »normal«. Sie war in eine Anstalt ge­sperrt worden, wo sie in der Fötushaltung lag und sich körperlich zurückentwickelt hatte. Dass sie immer wieder genau diese Worte schrie und weinte, war in ihren Akten als »Äusserung eines Kind­heitswahns« vermerkt. Der Fall wurde durch die Wiederholungstechnik unter Verwendung der Worte, die sie immer wieder schrie, geöffnet, nachdem man ihre Aufmerksamkeit durch ein lautes, mo­notones Geräusch auf den Auditor geheftet hatte. Es gab einige frü­here Geschehnisse, die diese Worte enthielten. Diese mussten erreicht werden, bevor das dramatisierte Geschehnis nachgab. Es ist indes ganz üblich, bei mehr oder weniger »normalen« Leuten Engramme wie dieses zu berühren und sie routinemässig zu erleichtern. Diese Patientin war sehr stark restimuliert worden und hatte mehrere schwere Verlustengramme erlebt, die frühere Engramminhalte eingekeyt gehalten hatten.

Von all diesen Fällen, die »festsitzen«, »gefangen sind«, »nicht herauskommen können« (was bedeutet, dass mehrere Holder vorhan­den sind und auch sehr viel schmerzliche Emotion), könnte auch noch gesagt werden, dass bestimmte Fötusaspekte zu sehen sein wer­den, selbst wenn der Fall »normal« ist. Glänzende Haut, Rückgrat­krümmung, unterentwickelte Keimdrüsen, all das kommt häufig vor, und eines oder viele dieser Anzeichen können vorhanden sein.