Das Engramm mit schmerzlicher Emotion

Es werden drei von ihnen angegeben, um jeden einzelnen Typ zu veranschaulichen. Sie können sich jederzeit ereignen, auch vor der Geburt, lassen sich aber am leichtesten im weniger weit zurück­liegenden Leben anzapfen. Von da aus können sie dann zu früheren Geschehnissen, die mit körperlichem Schmerz verbunden waren, und früheren Mitgefühlsengrammen und ähnlichem zurückführen. Das erste Beispiel ist ein Fall von Verlust durch den Tod eines Verbünde­ten. Ein Mädchen im Alter von achtzehn Jahren erhielt ein En­gramm mit schmerzlicher Emotion, als es durch die Eltern vom Tod ihrer Tante hörte. Die Tante war eine Hauptverbündete. Die Patien­tin, die im Alter von einunddreissig behandelt wurde, konnte sich an den Tod ihrer Tante erinnern, schrieb aber ihren Kummer anderen Dingen zu wie beispielsweise einer Restimulierung ihres – wie sie es nannte – eigenen »Todesinstinktes« (was in Wirklichkeit engrammatisches Geschwätz ihrer Mutter war, nämlich sterben zu wollen und alles hinter sich zu bringen). Die Tante hatte in der Tat am meisten geholfen, als es darum ging, der Mutter auszureden, das Kind »loszu­werden«; sie hatte der Mutter das Versprechen abverlangt, es nicht zu tun. Die Tante hatte das Kind auch nach der Geburt während seiner Krankheiten gepflegt und war in der Tat die einzige Zuflucht für das Mädchen, wenn eine streitsüchtige Mutter und ein religiös fanatischer Vater es drangsalierten, denn beide hatten es nicht ha­ben wollen, und es hatte eine ganze Reihe von Versuchen gegeben, die Schwangerschaft vorzeitig zu beenden.

Der Vater überbrachte dem Mädchen die Nachricht mit feier­lich tönender Stimme und angemessen ernstem Gesicht: »Ich möch­te, dass du auf der Beerdigung grosse Ehrfurcht zeigst, Agathe.« »Was für eine Beerdigung?« – »Deine Tante ist gerade zur ewigen Ruhe eingegangen.« – »Sie ist tot?« – »Ja, der Tod wird jeden von uns eines Tages ereilen, und wir müssen alle vorbereitet sein, das Schick­sal zu erleiden, das uns am Ende des Weges erwartet. Denn es ist ein langer Weg, das Leben; Gott oder die flammende Hölle wartet am anderen Ende, und eines Tages müssen wir alle sterben. Sei nun wirklich bei der Beerdigung sehr ehrfürchtig.« Bei dem Wort »Beer­digung« war sie bleich geworden, sie war praktisch »bewusstlos«, als sie das Wort »Tod« hörte, und sie blieb zwei ganze Tage lang »bewusst­los«, obwohl sie umherlief. Der Fall war, bis dieses Engramm ent­deckt und durchlaufen wurde, nur sehr langsam vorangekommen. Enorm viel Traurigkeit, die sich vorher nie gezeigt hatte, floss ab. Das Engramm wurde durch achtmaliges Wiedererzählen bis zur Lange­weile hin reduziert, woraufhin der erste Moment von Tantes Ein­schreiten gegen die Abtreibungsversuche von selbst kontaktiert und freigesetzt wurde. Nachdem nun das Verbot gegen das »Loswerden« entfernt worden war und (da jetzt laut Theorie freie Einheiten zur Verfügung standen) die Ladung vom vorgeburtlichen Bereich wegge­kommen war, machte der Fall danach im vorgeburtlichen Bereich Fortschritte. Es gab bei diesem Fall fünf weitere Verbündete, da sich das Mädchen, dessen Eltern so hart zu ihm gewesen waren, an jeden gehängt hatte, der ihm Interesse zeigte und Schutz gewährte. Nach­dem tiefer liegender körperlicher Schmerz zum Vorschein gekommen war, tauchten mehr Verbündete auf, und weitere Engramme mit schmerzlicher Emotion wurden entladen, wodurch sich wiederum neue Engramme mit körperlichem Schmerz zeigen konnten.

Das nächste Beispiel ist ein Engramm eines Patienten, der sein ganzes Leben lang von wohlhabenden Eltern versorgt und erzogen worden war. Er hatte einen sehr ernsten vorgeburtlichen Bereich, der sich jedoch nicht zeigen wollte. Es wurde schliesslich entdeckt, dass seine Kindermädchen die einzige Quelle von Liebe und Zunei­gung für ihn gewesen waren und dass seine Mutter, als eine Frau, die den Haushalt mit besonderer Vorliebe so oft wie möglich durcheinan­derbrachte, jedes Kindermädchen hinauswarf, sobald sie feststellte, dass das Kind es in sein Herz geschlossen hatte. Gleichzeitig liess die Mutter selbst keinen Zweifel aufkommen, dass sie das Kind als »wi­derlich« betrachtete. Das Engramm erhielt der Junge so: Er sieht sein Kindermädchen mit dem Koffer in der Hand aus dem Haus kommen; er hört auf, im Hof zu spielen, und rennt auf sie zu, um sie zu »erschrecken«; aufgrund des Auftritts, der sich gerade ereignet hat, ist sie ziemlich ärgerlich – sie ist Irin –, entspannt aber trotzdem ihre Züge, kniet neben dem Jungen nieder und sagt: »Ich gehe fort, mein Lieber. Ich kann hier nicht mehr bleiben. Nein, ich kann jetzt nicht mehr dein Kindermädchen sein. Aber du wirst schon sehen, bald hast du wieder ein anderes. Weine nicht. Es ist nicht gut für kleine Jungen, zu weinen. Auf Wiedersehen, Kleiner. Ich liebe dich.« Und sie geht.

Gleich als sie sagte, sie gehe fort, war er wie vom Donner ge­rührt. Das Verbot zu weinen stammte von einem Verbündeten; alles, was ein Verbündeter sagt, muss gut sein und muss geglaubt werden, weil Verbündete Überleben bedeuten, und man muss überleben. Ver­bündeten muss somit geglaubt werden. In all den folgenden Jahren hatte er, mit Ausnahme seltener Anlässe überwältigenden Kum­mers, nicht geweint. Acht solcher Trennungen waren ergebnislos be­rührt worden, doch nach dieser einen lockerten und entluden sich alle, eine nach der anderen.

Jeder Abschied von einem Verbündeten enthält eine emotionelle Ladung, die, wenn sie sich nicht zeigt, irgendwo anders unter­drückt wird.

Und hier ein Beispiel für ein Engramm mit schmerzlicher Emo­tion des dritten Typs: Verlust eines Verbündeten, indem sich dieser gegen einen wendet. Eine Frau liebte ihren Mann zärtlich. Sie waren gut miteinander ausgekommen, bis seine Eltern in die Nähe zogen und begannen, schlecht über sie zu reden. Er war darüber wütend und stritt sich mit ihnen. Seine Frau war eine Pseudoverbündete, und unglücklicherweise hatte der dazugehörige Verbündete ihm, als er ein Kind war, erzählt, er müsse seinen Eltern glauben. (Das tun Verbündete ziemlich oft; würden sie dem Kind, wenn es emotionell gestört oder krank ist, korrekte Daten geben, gäbe es weniger Schwierigkeiten. Eine Bemerkung wie: »Na, du wirst eines Tages gross sein und für dich selber sorgen können« ist viel besser als ein Haufen wohlmeinender Plattheiten.) Das brachte einen tragischen Umschwung mit sich. Der reaktive Verstand, der durch den Anblick der Ehefrau restimuliert wurde (der Ehemann war emotionell gestört und durch seine Eltern schon sehr restimuliert), warf die Informati­on aus, dass man seinen Eltern glauben muss. Das liess die Frau gemäss dem aberrierten Geschwätz der Eltern als nichtsnutzig erscheinen. Er begab sich in die Valenz seines Vaters, um dieser unwägbaren Situation zu entgehen, und diese Valenz schlug Frauen. Er schlug seine Frau wiederholte Male, wobei er eines der Engramme seines Vaters dramatisierte: »Ich hasse dich. Du taugst nichts. Ich hätte früher auf sie hören sollen. Du taugst nichts.«

Die Frau durchlief die Therapie. Diese Ladung unterdrückte sich selbst, nicht aus Scham über die Taten ihres Mannes, sondern aus dem mechanischen Grund, dass der frühe Bereich zuerst erleich­tert werden musste, bevor sich diese Geschichte entladen liess (schlau­er Archivar). Ihr Fall hatte sich bis zu einem Punkt verlangsamt, wo alles fast wie geklärt aussah, obwohl Somatiken (die sie natürlichen Ursachen zuschrieb) und Aberrationen (die sie als verständliche Re­aktionen bezeichnete) noch immer in Erscheinung traten. Plötzlich, als der Auditor aufs Geratewohl die Wiederholungstechnik mit der Redewendung »Ich hasse dich« anwandte – denn es war bekannt, dass sie das gelegentlich zu ihrem Mann sagte –, tauchte dieses Gescheh­nis auf. Dreimaliges Wiedererzählen entlud diese schmerzliche Emo­tion trotz ihrer Heftigkeit (sie weinte, bis sie fast erstickte). Unmit­telbar darauf tauchten zwölf vorgeburtliche Engramme auf – alles heftige Auseinandersetzungen zwischen ihrer Mutter und ihrem Va­ter (ein Verbündeter, zu dem ihr Mann der Pseudoverbündete war). In diesen Geschehnissen schlug sich die Mutter auf den Bauch und verfluchte das Kind. Sie kamen ans Licht und wurden ausgelöscht, worauf die Frau mühelos geklärt werden konnte.

Der Verlust von Hunden, Puppen, Geld, einer Stellung, ja sogar ein drohender Verlust – das alles kann ein Engramm mit schmerzli­cher Emotion erzeugen, solange es ein Verlust ist. Es kann ein Ver­lust durch Tod, durch Abschied oder dadurch sein, dass sich ein Ver­bündeter gegen einen wendet. Der Verlust all solcher Dinge oder Personen, die mit dem Leben des Patienten verbunden sind und die von ihm mit seinem eigenen Überleben assoziiert werden, vermag offenbar Lebenskrafteinheiten einzukapseln. Schmerzliche Emotion dieser Art braucht allerdings frühe körperlich schmerzhafte En­gramme, an die sie sich anhängen kann. Das Engramm mit körperli­chem Schmerz ist immer noch der Schurke, es hat allerdings im Engramm mit schmerzlicher Emotion einen Komplizen.