Das Einkeyen des Engramms

Die alleinige Ursache aller nicht organisch bedingten Geisteskrankheiten und zu organischen Symptomen führenden psychosomatischen Leiden ist die reaktive Engrammbank. Der reaktive Verstand zwingt dem analytischen Verstand und dem Organismus seine Engramme jedes Mal auf, wenn sie nach ihrem Key-in restimuliert werden.

Es gibt in einem Leben viele bewußt erlebte Geschehnisse, die auf den emotionellen und geistigen Zustand des Menschen tiefgreifenden Einfluß zu haben scheinen. Er erinnert sich ihrer und schreibt ihnen seine Schwierigkeiten zu. In gewissem Sinn hat er recht: Er blickt zumindest auf Vorfälle zurück, die durch Engramme fixiert sind. Er sieht jedoch die Engramme nicht. Und wenn ein Mensch mit der Dianetik nicht vertraut ist, weiß er tatsächlich nicht einmal, daß die Engramme vorhanden sind. Und selbst dann wird er ihren Inhalt nicht kennen, bevor er sich der Therapie unterzogen hat.

Man kann mit Leichtigkeit nachweisen, daß keinerlei Augenblick von Unglücklichsein auf »bewußter Ebene«, der große Belastung oder Emotion enthielt, für die Verursachung von Aberration und psychosomatischen Krankheiten verantwortlich gemacht werden kann. Doch natürlich spielten diese Augenblicke insofern eine Rolle, als sie vorhandene Engramme einkeyen ließen.

Der Vorgang des Einkeyens eines Engramms ist nicht sehr kompliziert. Nehmen wir einmal an, daß das Engramm Nummer 105 ein Augenblick von »Bewußtlosigkeit« war, in dem das ungeborene Kind vom Vater, der die Mutter schlug, mitgeschlagen wurde. Der Vater, ob er nun von dem Kind wußte oder nicht, schrie: »Du verfluchtes Luder, du dreckige Hure, du taugst überhaupt nichts!« Dieses Engramm liegt da, wo es eingeprägt wurde, also in der reaktiven Bank. Nun könnte dieses Engramm siebzig Jahre lang gespeichert dort liegen und niemals einkeyen. Der Engramminhalt sind Kopf­schmerzen, ein fallender Körper, Zähneknirschen, die Verdauungsgeräusche der Mutter usw. Und das Kind kann nach der Geburt zahllosen Geräuschen begegnen, die diesen Inhalten gleichen, ohne daß dieses Engramm einkeyt.

Eines Tages jedoch ist der Vater aufgebracht über das Kind. Das Kind ist müde und fiebert, was bedeutet, daß sein analytischer Verstand wohl auch nicht auf dem höchsten Leistungsniveau arbeitet. Der Vater hat eine bestimmte Reihe von Engrammen, die er dramatisiert, und eines dieser Engramme ist das obige Geschehnis. Und der Vater holt aus, schlägt das Kind und sagt: »Du verfluchtes Luder, du taugst überhaupt nichts!« Das Kind weint. An diesem Abend hat es Kopfschmerzen, und seine körperliche Verfassung hat sich noch mehr verschlechtert. Es empfindet seinem Vater gegenüber sowohl intensiven Haß als auch Furcht. Das Engramm ist eingekeyt. Von nun an wird das Geräusch eines fallenden Körpers oder knirschender Zähne oder die geringste Spur von Zorn in der Stimme des Vaters das Kind nervös machen. Seine körperliche Gesundheit wird leiden. Es wird künftig zu Kopfschmerzen neigen.

Wenn wir nun dieses Kind behandeln – das inzwischen erwachsen geworden ist – und seine Vergangenheit absuchen, werden wir (obschon das Geschehnis abgesperrt sein mag) ein Lock von der Art des obigen Key-ins finden. Und jetzt finden wir nicht nur den Key-in – wir mögen ein halbes Hundert, ein halbes Tausend solcher Locks zu diesem einen Thema entdecken. Ohne Kenntnis der Dianetik würde man sagen, daß das Kind nach der Geburt durch Schläge des Vaters zugrunde gerichtet worden sei. Man würde vielleicht versuchen, den Patienten durch Entfernung dieser Locks wieder in eine bessere geistige Verfassung zu bringen.

Es gibt in einem Durchschnittsleben buchstäblich Tausende, Zehntausende Locks. Sie alle wegzuräumen, wäre eine Aufgabe für Herkules. Für jedes Engramm eines Menschen mögen, falls es eingekeyt worden ist, Hunderte von Locks vorhanden sein.

Gäbe es Konditionierung als einen Mechanismus von Schmerz und Streß, so stünde es um die Menschheit schlecht. Glücklicherweise gibt es Konditionierung in dieser Form nicht. Es scheint sie zu geben, aber der Schein trügt. Man könnte annehmen, daß ein Kind, täglich herumgestoßen und ausgescholten, schließlich in den Glauben hineinkonditioniert wird, daß das Leben eben so sei und daß es sich dagegen auflehnen müsse.

Konditionierung gibt es aber nicht. Pawlow mag imstande gewesen sein, Hunde durch wiederholte Experimente wahnsinnig zu machen; das war einfach schlechte Beobachtung von Seiten des Beobachters. Die Hunde konnten vielleicht trainiert werden, dies oder jenes zu tun. Es war aber keine Konditionierung. Die Hunde wurden, falls sie wahnsinnig wurden, deshalb wahnsinnig, weil man ihnen Engramme verpaßte. Eine Reihe solcher Experimente, korrekt durchgeführt und beobachtet, beweist diese Behauptung.

Der Junge, der täglich zu hören bekam, er tauge nichts, und dessen Zustand sich scheinbar allein deshalb verschlechterte, geriet nur wegen seines entsprechenden Engramms in eine beklagenswerte Verfassung. Das ist eine erfreuliche Tatsache. Es mag eine Weile – ein paar Stunden – dauern, das Engramm zu lokalisieren, aber wenn es entlastet oder in die Standard-Gedächtnisbanken umgespeichert worden ist, dann ordnet sich auch alles um, was sich an Nachteiligem an das Engramm angeschlossen hatte.

Leute, die anderen aus ihren Aberrationen herauszuhelfen versuchten, ohne etwas über Engramme zu wissen, hatten natürlich kaum Aussicht auf Erfolg. Zunächst einmal können die Locks selbst in der reaktiven Bank untertauchen. So gibt es den Patienten, der sagt: »Ach, mein Vater war gar nicht so schlecht. Er war ein ganz guter Kerl.« Und wir wie auch der Patient entdecken, wenn ein Engramm freigesetzt wird, daß Vater fast ständig dramatisiert hat. Was der Patient über seine Vergangenheit weiß, bevor Engramme bei ihm geknackt sind, ist nicht wert, katalogisiert zu werden. Oder man stößt auf einen Patienten, der sagt: »Oh – ich hatte eine furchtbare Kindheit, eine schreckliche Kindheit. Ich wurde arg geprügelt.« Und wenn wir die Engramme zutage fördern, entdecken wir, daß die Eltern ihm nie etwas angetan haben, weder zur Strafe noch im Zorn.

Ein Engramm kann durch Jahrzehnte dahinschweben, ohne eingekeyt zu werden. Einer der bemerkenswertesten Falltypen ist jemand, der seine ganze Jugend ohne jegliche Aberration verbracht hat. Aber im Alter von sechsundzwanzig Jahren erscheint er plötzlich so aberriert, als sei er verhext worden. Vielleicht drehen sich die meisten seiner Engramme um Heirat und Kinder; er war jedoch nie zuvor verheiratet. Das erste Mal, als er etwas erschöpft oder krank ist und sich klar darüber wird, daß er eine Frau am Hals hat, keyt das erste Engramm ein. Die enger werdende Abwärtsspirale setzt ein. Dieses eine Engramm sperrt den Analysator genügend ab, so daß auch andere Engramme eingekeyt werden können, und schließlich darf es niemanden wundern, wenn wir ihn in einer Nervenheilanstalt wiederfinden.

Wenn das junge Mädchen, das bis zum Alter von dreizehn Jahren glücklich und sorgenfrei gewesen ist, sich plötzlich zu seinem Nachteil zu verändern beginnt, hat es nicht in diesem Augenblick ein Engramm erhalten; vielmehr ist in diesem Augenblick ein Engramm eingekeyt, was wiederum ein anderes Engramm einkeyen ließ. Kettenreaktion. Für diesen Key-in mag nichts weiter nötig gewesen sein als die Entdeckung, daß es aus der Scheide blutete. Ein emotionelles Engramm keyt ein, und das Mädchen verzweifelt. Im Laufe der folgenden Tage können nun die anderen Engramme ihre Angriffspositionen beziehen. Und so wird es krank.

Auch das erste sexuelle Erlebnis kann ein Engramm einkeyen. Das kommt so häufig vor, daß Sex hier und da in den Ruf gekommen ist, schon an sich ein aberrierender Faktor zu sein. Das Geschlechtliche ist und war niemals aberrierend. Körperlicher Schmerz und schmerzliche Emotion, die nebenbei Sex als Thema enthalten, sind die aberrierenden Faktoren.

Es kann sein, daß eine Patientin beharrlich darauf besteht, im Alter von neun Jahren von ihrem Vater vergewaltigt worden zu sein, und daß dies die Ursache ihres ganzen Elends sei. (Sehr viele geisteskranke Patienten übrigens behaupten das.) Und es ist wahr: der Vater vergewaltigte sie tatsächlich; das geschah aber, als sie gerade neun Tage alt war – von der Befruchtung an gerechnet. Der Druck und die Aufregung des Koitus sind für den Embryo sehr unangenehm. Man muß daher normalerweise damit rechnen, daß das Kind dadurch ein Engramm bekommt, das den Geschlechtsakt und alles, was gesagt wurde, zum Inhalt hat.

Wie schon erwähnt wurde, ist Drogenhypnose gefährlich, wenn man versucht, psychotische Personen damit zu behandeln. Und abgesehen davon gibt es für die Gefährlichkeit der Drogenhypnose noch andere Gründe. Jede Operation unter Narkose und jede Drogenbehandlung eines Patienten kann das Einkeyen von Engrammen zur Folge haben. Auf der einen Seite ist der Analysator abgeschaltet, auf der anderen Seite wartet die reaktive Bank nur darauf, durch jede beliebige Bemerkung, die in der Nähe der unter Drogen stehenden Person fällt, in Gang gesetzt zu werden. Auch Hypnose allein ist ein Zustand, in dem Engramme eingekeyt werden können, die nie zuvor restimuliert worden sind. Der glasige Blick von Leuten, die »zu oft« hypnotisiert wurden, der Mangel an Willenskraft, der bei ihnen zu beobachten ist, die Abhängigkeit des Hypnotisierten vom Hypnotiseur, all das sind Erscheinungen, die auf den Key-in von Engrammen zurückzuführen sind. Jedes Mal, wenn der Körper ohne physischen Schmerz »bewußtlos« gemacht wird – wie gering auch der Grad der »Bewußtlosigkeit« sein mag, selbst wenn sie nur in der leichten Form bloßer Müdigkeit auftritt —, kann ein Engramm eingekeyt werden. Und wenn in diesem Zustand herabgesetzten Bewußtseins noch körperlicher Schmerz hinzukommt, dann bildet sich ein neues Engramm, an das sich ein ganzes Bündel alter, bisher noch nicht eingekeyter Engramme anschließen kann. Ein solches spätes Engramm nennen wir übrigens ein Kreuzengramm, weil es Engrammketten verkreuzt. Und wenn ein solches Engramm den Verlust der geistigen Gesundheit zur Folge hätte, würden wir es ein Kollapsengramm nennen.

Es gibt bei durch Drogen hervorgerufener »Bewußtlosigkeit« einige Aspekte, die in der Vergangenheit Verwirrung gestiftet haben. Schon so manche psychotische Frau hat nach dem Erwachen aus einer Drogentrance (und manchmal auch aus hypnotischer Trance) behauptet, sie sei vergewaltigt worden. Männer behaupten manchmal, der Hypnotiseur habe eine homosexuelle Handlung an ihnen vorzunehmen versucht, während sie unter Drogen standen. Obwohl es gelegentlich vorkommt, daß Leute tatsächlich vergewaltigt werden, nachdem ihnen Drogen verabreicht worden sind, sind doch die allermeisten Behauptungen dieser Art nur ein Aspekt des Key-in-Mechanismus. Beinahe jedes Kind hatte das vorgeburtliche Unbehagen des Geschlechtsaktes durchzustehen. Und oft waren dabei andere heftige Emotionen im Spiel als lediglich Leidenschaft. Ein solches Engramm mag jahrelang außerhalb des Schaltkreises bleiben, bis durch Drogen verursachte »Bewußtlosigkeit« oder ähnliche Dinge es einkeyen. Der Patient sinkt in den »Schlaf«, ohne ein eingekeytes Engramm zu haben, und wenn er aufwacht, hat er eines. Er versucht, die merkwürdigen Empfindungen, die er hat, zu rechtfertigen (und Engramme sind zeitlos, es sei denn, sie werden auf dem Time-Track richtig eingeordnet) und kommt schließlich zu der »Erklärung«, daß eine Vergewaltigung stattgefunden haben müsse.

Vergewaltigungen in der Kindheit sind sehr selten die wirkliche Ursache sexueller Aberration. Sie sind der Key-in.

Man betrachtet die auf bewußter Ebene erlebten Locks und sieht Traurigkeit, Seelenschmerz, Mißgeschick. Manches von diesen Erlebnissen scheint so schrecklich zu sein, daß man meinen könnte, es müßte ganz sicher Aberration erzeugen. Dem ist aber nicht so. Der Mensch ist ein zähes, widerstandsfähiges Wesen. Diese Erlebnisse auf bewußter Ebene verweisen bestenfalls auf die eigentliche Ursache der Störungen, und diese ist der Person überhaupt nicht im Einzelnen bekannt.

Das Engramm ist nichts Berechnetes und nichts Berechenbares. Ein Beispiel hierfür ist, auf leicht aberrierender Ebene, die Bestrafung von Kindern. Untersucht man eine Kindheit, in der körperliche Bestrafung häufig vorgekommen ist, so beginnt man zu verstehen, wie überaus nutzlos die Theorie vom Schmerz als Triebkraft ist. Bestrafung bewirkt nichts, aber auch gar nichts Gutes, sondern erreicht genau das Gegenteil, denn sie stachelt zu reaktiver Revolte gegen den Strafenden an und bewirkt mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht nur, daß ein Mensch geistig zerbrochen wird, sondern auch, daß der Strafende mit unablässiger Heimsuchung verfolgt wird. Der Mensch bekämpft Quellen des Schmerzes. Gibt er diesen Kampf auf, so ist er seelisch gebrochen und wenig nütze, am wenigsten für sich selbst.

Betrachten wir den Fall eines Jungen, der jedes Mal, wenn er »böse« war, mit einer Haarbürste geschlagen wurde. Bei der Untersuchung dieses Falles konnte auch die genaueste Nachforschung keinerlei deutliche Erinnerung zutage fördern, warum er geschlagen wurde, nur daß er geschlagen wurde. Der Ablauf der Geschehnisse war etwa so: mehr oder weniger vernünftiges Handeln, Furcht vor angedrohter Bestrafung, Bestrafung, Kummer über die Bestrafung, erneutes Handeln. Der Mechanismus des Falles zeigte, daß die Person mit einer Handlung beschäftigt war, die – ob das nun andere so ansehen würden oder nicht – für sie auf jeden Fall eine Überlebenshandlung war, die ihr entweder Vergnügen bereitete, wirklichen Gewinn verschaffte oder auch nur die Bestätigung brachte, daß sie überleben konnte und würde. Im Augenblick der Strafandrohung werden frühere Bestrafungen als kleinere Engramme, die gewöhnlich größere Engramme überlagern, restimuliert. Das schaltet das analytische Vermögen zu einem gewissen Grad aus, und die Aufzeichnungen erfolgen jetzt auf reaktiver Ebene. Die Bestrafung findet statt und überschwemmt vollends das analytische Bewusstsein, so daß die Bestrafung nur in der Engrammbank aufgezeichnet wird; der der Strafe folgende Kummer liegt noch in der Periode der Ausschaltung des analytischen Verstandes; stufenweise schaltet sich der Analysator wieder ein; volles Bewußtsein kehrt zurück, und die Aktivitäten auf analytischer Ebene können nun wiederaufgenommen werden. Alle körperlichen Züchtigungen verlaufen entsprechend diesem Zyklus. Alle anderen Bestrafungen sind bestenfalls Locks, die demselben Muster folgen, lediglich ohne die durch Schmerz entstehende vollständige Ausschaltung.

Wenn der Analysator diese Daten für Berechnungen haben will, dann sind sie nicht zugänglich. Im reaktiven Verstand kommt es zu einer Reaktion, wenn das Thema berührt wird. Aber der reaktive Verstand kann mit diesen Daten fünf verschiedene Wege einschlagen! Und es gibt keine Garantie und keine Methode zwischen Himmel und Erde, um vorauszusagen, welchen Weg der reaktive Verstand mit den Daten einschlagen wird – es sei denn, man würde den vollen Inhalt der Engrammbank kennen, aber in diesem Fall könnte der Betreffende in ein paar weiteren Arbeitsstunden geklärt werden und brauchte nicht mehr bestraft zu werden.

Es sind diese fünf Arten des Umgangs mit Daten, die körperliche Bestrafung zu einer unbeständigen und unzuverlässigen Sache machen. Es gibt ein Verhältnis, das in der Erfahrung jedes Menschen geprüft und nachgewiesen werden kann: Ein Mensch ist genau in dem Grade böse, wie zerstörende Gewalt gegen ihn gerichtet wurde. Eine Einzelpersönlichkeit (einschließlich derer, die die Gesellschaft oft nicht als solche betrachtet – der Kinder) reagiert gegen die Quelle der Bestrafung – seien es nun Eltern oder die Regierung. Alles, was sich dem einzelnen als Bestrafungsquelle entgegenstellt, wird mehr oder weniger (je nach dem Nutzen, der ihm von dieser Seite auch erwächst) zur Zielscheibe seiner Reaktionen.

Das versehentlich umgeworfene Milchglas, der Kinderlärm auf der Veranda, Vaters Hut und Mutters Bettvorleger, die in aller Unschuld ruiniert werden – oft sind es kalt berechnete Anschläge des reaktiven Verstandes gegen Schmerzquellen. Der analytische Verstand mag um der Liebe und Zuneigung und drei guter Mahlzeiten willen Kompromisse eingehen. Der reaktive Verstand jedoch schnurrt seine Lektionen ab, die er gelernt hat – zum Teufel mit den Mahlzeiten!

Ließe man einen Schwachsinnigen auf eine Rechenmaschine los, damit er die Firmenbilanz aufstellt, und könnte er den Buchprüfer daran hindern, an die Geräte und Unterlagen heranzukommen, die dieser für die Prüfung braucht, so käme man kaum auf korrekte Zahlen. Und fütterte man den Schwachsinnigen noch weiter, bis er fett und stark wäre, dann bräche die Firma früher oder später zusammen. Der reaktive Verstand ist der Schwachkopf, der Buchprüfer ist das »Ich«, und die Firma ist der Organismus. Bestrafung füttert den Schwachkopf.

Die perplexe Hilflosigkeit der Polizei gegenüber dem »Gewohn­heits­verbrecher« (und der Glaube der Polizei an den »kriminellen Typ« und an die »kriminelle Veranlagung«) entspringt diesem Kreislauf. Aus irgendeinem Grund wird die Polizei, ähnlich Regierungen, mit der Gesellschaft gleichgesetzt. Nehmen Sie irgendeinen dieser »Kriminellen« und klären Sie ihn, und die Gesellschaft gewinnt einen vernunftbestimmten Menschen zurück, aus dem sie vollen Nutzen ziehen kann. Bleibt aber der Kreislauf der Bestrafung bestehen, so werden die Gefängnisse zahlreicher und voller.

Das Problem mit dem Kind, das gegen die Eltern heftig aufbegehrt, und das Problem mit Bruch-Maxe, der bei einem bewaffneten Raubüberfall den Wachmann erschießt, entstammen demselben Mechanismus. Wird das Kind auf »bewußter Ebene« ausgefragt, so weiß es nichts von seinen wirklichen Gründen, sondern wird sein Verhalten auf alle mögliche Weise rechtfertigen. Und wird der Raubmörder (der darauf wartet, von der ach so vernünftigen Gesellschaft auf den elektrischen Stuhl geschnallt zu werden, um eine gründliche und abschließende Elektroschocktherapie zu erhalten) nach seinen Gründen gefragt, wird er ebenfalls Rechtfertigungen für sein Leben und Verhalten hervorsprudeln lassen. Der menschliche Verstand ist ein wun­derbarer Computer. Die Gründe, die er für unvernünftige Handlungen hervorbringen kann, haben noch jeden verblüfft, insbesondere die Sozialhelfer. Wenn man die Ursache und den Mechanismus nicht kennt, sind die Chancen, durch Vergleich aller zur Verfügung stehenden Verhaltensweisen die richtige Schlußfolgerung zu ziehen, ebenso gering, wie gegen einen Chinesen im Fanten zu gewinnen. Daher werden die Bestrafungen als verworrene Antwort auf eine sehr verworrene Gesellschaft fortgesetzt.

Es gibt fünf Verhaltensweisen, mit denen der Mensch auf eine Gefahrenquelle reagiert. Das sind gleichzeitig auch die fünf Wege, die er angesichts eines jeden beliebigen Problems einschlagen kann. Man könnte dies als das Prinzip der fünf Handlungsmöglichkeiten bezeichnen.

Das Gleichnis vom schwarzen Panther demonstriert das gut. Nehmen wir an, ein besonders bösartiger schwarzer Panther sitze auf der Treppe und ein Mann namens Otto im Wohnzimmer. Otto möchte ins Bett gehen. Der schwarze Panther ist aber im Weg. Ottos Problem besteht darin, in die obere Etage zu gelangen. Er hat im Hinblick auf den Panther fünf Möglichkeiten:

1.   Er greift den schwarzen Panther an;

2.   er läuft aus dem Haus, um vor dem schwarzen Panther zu fliehen;

3.   er meidet den schwarzen Panther, indem er die Hintertreppe benutzt;

4.   er ignoriert den schwarzen Panther; und

5.   er resigniert gegenüber dem schwarzen Panther.

Dies also sind die fünf Verhaltensmöglichkeiten: angreifen, fliehen, meiden, ignorieren oder resignieren.

Alle Handlungen lassen sich in diese Verhaltensweisen einordnen. Und sie alle sind im Leben zu beobachten. Im Hinblick auf eine Bestrafungsquelle kann der reaktive Verstand resignieren, er kann sie ignorieren, sie meiden, vor ihr fliehen oder sie angreifen. Der Handlungsverlauf wird durch eine komplexe Vielfalt von Engrammen diktiert und hängt davon ab, welches davon restimuliert wird. Der Strudel von Reaktionen mündet aber gewöhnlich in eine der genannten fünf Verhaltensweisen ein.

Wenn ein Kind gezüchtigt wird und nun gehorcht, kann man annehmen, daß es resigniert hat; und der Wert eines Kindes, das angesichts von Bestrafung resigniert, ist so gering, daß die Spartaner es längst ertränkt hätten, denn es ist in Apathie gesunken – außer natürlich, es ist von selbst auf die Idee gekommen (alle Reaktion beiseite lassend), daß das, wofür es bestraft wurde, nicht besonders gescheit war. (Bei dieser Überlegung kann ihm jedoch nicht geholfen werden, wenn die Person, die ihm zu helfen versucht, eine Bestrafung in seinen reaktiven Verstand einführt.)

Es kann vor der Quelle der Bestrafung fliehen, was wenigstens nicht mehr Apathie, sondern nach allgemeiner Auffassung lediglich Feigheit ist. Es kann die Sache völlig auf sich beruhen lassen und die Quelle der Bestrafung ignorieren – in der Antike wäre es als Stoiker bezeichnet worden, während seine Spielgefährten es wohl bloß lahmarschig nennen würden. Es kann die Quelle der Bestrafung meiden, was ihm das zweifelhafte Kompliment einbringen könnte, schlau, listig oder verschlagen zu sein. Oder das Kind kann die Bestrafungsquelle angreifen, entweder durch offene Gewalttätigkeit oder, weniger offen, durch Beschimpfung, Auflehnung, Belästigung oder Sachbeschädigung. In diesem Fall würde man es angesichts der körperlichen Überlegenheit der Eltern einen tapferen Dummkopf nennen oder bei indirekter Aggression versteckt feindselig oder aufsässig. Solange aber ein Mensch als Reaktion auf eine echte Bedrohung angreift, kann man von ihm sagen, daß er in einer ganz guten geistigen Verfassung – »normal« – ist, und von einem Kind würde man sagen, es verhalte sich eben »wie jedes normale Kind«.

Bringen Sie Bestrafung in die Berechnung hinein, dann stimmt sie nicht mehr. Ganz anders verhält es sich im Fall von »Erfahrung«. Das Leben hält für jeden Menschen zahlreiche schmerzhafte Erfahrungen bereit, ohne daß andere Menschen die Sache noch verschlimmern müßten. Eine Person, deren Dynamiken noch nicht blockiert sind oder die durch die Dianetik von ihren Blockierungen befreit wurde, kann im Leben die erstaunlichsten Schläge verkraften. Selbst wenn der reaktive Verstand als Resultat einiger solcher Erfahrungen Engramme empfängt, kann der analytische Verstand einer solchen Persönlichkeit mit der Situation weiterhin zu Rande kommen, ohne auf irgendeine Art und Weise aberriert zu werden. Der Mensch ist nun einmal zäh, widerstandsfähig und tüchtig. Aber sobald das Gesetz der Affinität verletzt wird und eine solche Verletzung der Affinität in die reaktive Bank gelangt, werden Menschen als Überlebensbedrohung zu einer Quelle der Bestrafung. Wenn der frühe Inhalt der Engrammbank vor dem Alter von 5 Jahren keine überlebensfeindlichen Engramme umfaßt, an denen Menschen beteiligt sind, dann werden überlebensfreundliche Engramme beiläufig hingenommen und sind nicht ernstlich aberrierend. Mit anderen Worten: Es ist die Verletzung der Affinitätsbeziehung zu seinen Mitmenschen auf engrammatischer Ebene, die die Dynamiken am stärksten blockiert. Die Affinität von Mensch zu Mensch ist weit eher eine wissenschaftliche Tatsache als eine poetische und idyllische Idee.

Der Lebenszyklus, der »normal« (der gegenwärtige Durchschnittszustand) oder psychotisch ist, läßt sich somit leicht aufzeich­nen. Er beginnt mit einer großen Anzahl von Engrammen vor der Geburt; in dem abhängigen und ziemlich hilflosen Zustand nach der Geburt werden weitere Engramme angesammelt. Bestrafungen unterschiedlicher Art, die nun als Locks hinzukommen, keyen die Engramme ein. Neue Engramme, die die früheren hereinziehen werden, kommen hinzu. Weitere Locks häufen sich an. Krankheit und aberrierte Handlungen setzen spätestens im Alter von vierzig oder fünfzig Jahren ein. Der Tod folgt irgendwann nach.

Selbst ohne die optimale Lösung, die Klärung der Engramme, gibt es verschiedene Dinge, die sich gegen Aberration und psychosomatische Krankheiten tun lassen. Daß diese Methoden unsicher und nur von beschränktem Wert sind, heißt nicht, daß sie nicht auch gelegentlich erstaunliche Wirkungen zeitigen können.

Solche Methoden kann man unter den Bezeichnungen Umge­bungs­wechsel, Erziehung und körperliche Behandlung einordnen. Faktoren aus der Umgebung eines Aberrierten oder den Aberrierten aus einer Umgebung, in der er unglücklich oder untauglich ist, zu entfernen, kann zu erstaunlich schneller Erholung führen; das ist eine wirksame Therapie; sie entfernt die Restimulatoren von dem Betroffenen oder den Betroffenen von den Restimulatoren. Gewöhnlich wird ein Umgebungswechsel aufs Geratewohl vorgenommen und ist daher öfter erfolglos als erfolgreich. In neun von zehn Fällen werden nicht alle Restimulatoren entfernt, weil der Mensch den Hauptteil mit sich selbst herumschleppt oder gezwungenermaßen mit ihnen in Kontakt kommt. Das traf beispielsweise bei einem schwer Asthma-Leidenden zu. Seine Beschwerden waren die Folge eines sehr schweren Geburtsengramms. Seine verzweifelten Eltern brachten ihn von einem empfohlenen Gebirgskurort zum anderen und verschwendeten mit diesen Kuraufenthalten Unsummen. Als der Patient geklärt und das Engramm umgespeichert wurde, zeigte sich, daß der Restimulator für sein Asthma reine, kalte Luft war! Daß sich ein kränkliches Kind erholt, ist bei der Umgebungsmethode nur gewährleistet, wenn es von den restimulierenden Eltern entfernt und in eine Umgebung versetzt wird, wo es geliebt wird und sich sicher fühlt, weil seine Krankheit nur das unvermeidliche Ergebnis der Restimulierung von vorgeburtlichen Engrammen durch den einen oder anderen Elternteil oder durch beide ist. Und natürlich gibt es auch Ehemänner und Ehefrauen, die nach der Heirat chronisch in die ersten beiden Zonen abgesunken sind, nachdem sie die Pseudo-Mutter, den Pseudo-Vater oder den Pseudo-Abtreiber geheiratet hatten.

Im Erziehungsbereich können neue Daten oder neue, begeistert in Angriff genommene Tätigkeiten sehr wohl Engramme auskeyen, indem sie im Licht eines neuen analytischen Auftriebs das Übergewicht über den reaktiven Verstand herstellen. Wenn ein Mensch einfach überzeugt werden kann, daß er gegen Schatten gekämpft hat, oder wenn man ihn überreden kann, seine Ängste einer bestimmten Ursache anzuhängen – gleichgültig, ob diese Ursache stimmt oder nicht –, so kann er daraus Nutzen ziehen. Auch die »Erziehung« zu einem starken Glauben an eine Gottheit oder einen Kult mag manchen Menschen dazu führen, sich so unverletzlich zu fühlen, daß er über seine Engramme hinauswächst. Jede irgendwie bewirkte Erhöhung des Überlebenspotentials wird seine allgemeine Tonstufe auf eine Ebene heben, wo er nicht mehr mit der reaktiven Bank Auge in Auge steht. Häufig wird es einen Menschen vor seinen Restimulatoren schützen, wenn er beispielsweise eine technische oder musikalische Ausbildung erhält, durch die er einen höheren Grad an Respekt genießt. Ein Aufstieg in eine geachtete Stellung, der an sich schon einen Umgebungswechsel darstellt, ist insofern auch von erzieherischem Wert, als der Betreffende dadurch lernt, daß er wertvoll ist. Hat jemand durch eigene oder fremde Erziehung gelernt, daß ein Hobby oder eine selbstgewählte Arbeit gut für ihn ist, macht sich ein weiterer Mechanismus geltend. Der analytische Verstand ist so beschäftigt, daß er für seine Tätigkeit immer mehr Energie an sich zieht und beginnt, sich auf neue Ziele auszurichten.

Medizinische Behandlung, die zur Besserung des körperlichen Zustands führt, kann neue Hoffnung bringen oder, indem sie ihn auf seinem Time-Track verschiebt, seine Reaktionen verändern. Sie kann Engramme auskeyen (wegfallen lassen, ohne daß sie ausgelöscht worden sind).

Bei diesen Methoden handelt es sich um wirksame Therapie; wenn man sie umkehrt, sind sie jedoch auch die Faktoren, die Aberrationen in Erscheinung treten lassen. Es gibt falsche Aktionen und Maßnahmen, falsche Methoden der Menschenbehandlung, und sie sind im Licht unseres heutigen Wissens Verbrechen.

Einen Menschen in eine Umgebung hineinzustoßen, die ihn restimuliert, und ihn zu zwingen, dort zu bleiben, grenzt an Mord. Ihn an einen Partner zu binden, der seine Engramme restimuliert, ist schlimm; einen Mann oder eine Frau zu zwingen, mit einem restimulierenden Ehepartner zusammenzubleiben, ist ohne dianetische Therapie unbrauchbares Moralgesetz. Ein Kind in einem Zuhause festzuhalten, in dem seine Engramme restimuliert werden, stellt ganz sicher eine Beeinträchtigung nicht nur für sein Glücklichsein, sondern auch für seine geistige und körperliche Entwicklung dar – ein Kind sollte in solchen Dingen viel mehr Rechte haben, und mehr Orte, wo es hingehen kann.

Auf dem Gebiet der körperlichen Heilbehandlung sind alle gewaltsamen Maßnahmen zur Behebung psychosomatischer Leiden, von chirurgischen Eingriffen bis zum Zahnziehen, im Licht der Dianetik schlechthin barbarisch. Auch »Zahnschmerzen« sind normalerweise psychosomatisch. Man kann ganze Kataloge mit organischen Krankheiten anfüllen, die in Wirklichkeit psychosomatische Leiden sind. Man sollte zu keinerlei chirurgischen Eingriffen irgendwelcher Art Zuflucht nehmen, bevor es außer Zweifel steht, daß das Leiden nicht psychosomatisch ist oder die Krankheit nicht von selbst nachlassen wird, wenn die Stärke des reaktiven Verstandes verringert ist. Auf den Verstand abzielende körperliche Behandlung ist zu lächerlich, um ernsthaft in Betracht gezogen zu werden, da es jetzt eine Wissenschaft über die Quelle der Aberration gibt. Kein vernünftig denkender Arzt oder Psychiater, der die Dianetik kennt, würde je wieder eine Elektrode zum Zweck der Elektroschocktherapie berühren oder ein Skalpell oder einen Stocher auch nur flüchtig anschauen, um eine Operation an den vorderen Hirnlappen durchzuführen. Er selbst müßte schon derart aberriert sein, daß sein Handeln überhaupt nicht dem Wunsch zu heilen, sondern dem niederträchtigsten und feigsten Sadismus entspringt, den Engramme in einem Menschen hervorrufen können.