Auswertungen durch den Auditor

Der Auditor muss für sich selbst viele Auswertungen durchfüh­ren. Niemals vollzieht er für den Preclear Bewertungen, noch zwingt er ihm irgendwelche Überlegungen auf. Wenn der Preclear zu dem Ergebnis gelangt, dass es dies und jenes war, das ihn krank machte, dann wird das vom Auditor akzeptiert. Dem Preclear zu erläutern, welcher Inhalt eines Engramms ihn so oder so beeinflusste, ist nicht nur Zeitverschwendung, sondern bringt ihn auch durcheinander. Der Auditor wertet aus, um sich zu vergewissern, dass er keine eingebil­deten oder unvollständigen Daten als Engramme akzeptiert.

Ein Geschehnis wird sich nicht heben lassen, wenn die darin enthaltenen Daten falsch sind; das ist einfach so. Ändern Sie nur eine einzige Silbe in dem Geschehnis, so wird es hängenbleiben. Scheint es trotzdem zu weichen, wird es wiederkommen. Es gibt so­mit keinen Grund zu der Befürchtung, dass ein Geschehnis, das durch Wiedererzählen schwächer wird, nicht stimme. Die darin enthaltenen Daten müssen mehr oder weniger richtig sein, denn andernfalls wür­de das Geschehnis sich nicht reduzieren lassen. Daher würde der Auditor, der Geschehnisse oder Daten anzweifelt oder auf andere Weise den lieben Gott spielt, einen gründlich verkorksten Fall vor sich haben, noch bevor er mit der Behandlung weit gekommen ist. Sein Patient wird keinen Fortschritt mehr machen. Wenn der Pre­clear ein Engramm durchläuft, dem zufolge die Mutter mit fünf Eskimos Geschlechtsverkehr hat, dann lassen Sie es ihn durchlaufen, und sagen Sie nie, nie, nie, dass Sie es für unwahr halten. Wenn Sie einem Preclear sagen, Sie glaubten, er bilde sich Dinge ein, dann können Sie einen ernsten Rückschlag verursachen. Wenn Sie ihm sagen, dass die Mutter wohl ihre Gründe hatte, dann haben Sie sich der Gegen­seite angeschlossen: Sie greifen nicht das Engramm an, sondern Sie helfen Mama, den Preclear anzugreifen. Den Preclear zu kritisieren, zu korrigieren oder anderweitig zu beurteilen, hat nicht das Gering­ste mit Dianetik zu tun und wird die Behandlung mehr verlangsa­men als jeder andere einzelne Fehler. Ein Auditor, der das ihm gege­bene Material in Frage stellt, mag Hexenkunst, chinesische Aku­punktur, Schamanismus oder Wudu praktizieren, aber ganz be­stimmt nicht Dianetik. Er wird keine Erfolge erzielen. Eine einzige Bemerkung an den Preclear zu richten wie: »Ich glaube, Sie irren sich, wenn Sie annehmen, dass Ihre Mutter Sie abtreiben wollte«, oder: »Ich habe das Gefühl, dass Sie sich das einbilden«, kann Ihren Preclear um fünfzig Stunden zurückwerfen. Der Auditor kritisiert oder beurteilt den Preclear nicht, er bewertet ihm gegenüber auch nicht seine Daten.

Die Auswertung durch den Auditor geschieht ganz privat und im Stillen. Wenn der Patient, sagen wir, sein fünftes vorgeburtliches Zugunglück erzählt hat, dann wissen Sie, dass Sie auf eine Lügenfa­brik aus einem Engramm gestossen sind. Der falsche Ansatz, um dies zu korrigieren, wäre, es dem Preclear mitzuteilen. Richtig ist, die Lügenfabrik zu finden, ein Engramm, das eine Äusserung wie etwa folgende enthält: »Erzähl mir irgendetwas! Erzähl mir, was du willst. Mich kümmert es nicht, solange du etwas sagst. Aber erzähl mir um Himmels willen nicht die Wahrheit. Die kann ich nicht ver­tragen!« oder: »Du kannst ihm nicht die Wahrheit sagen. Das würde zu sehr weh tun.« Es gibt Tausende mögliche Lügenfabriken. Und sie kommen gar nicht so selten vor.

Sagen Sie dem Preclear niemals, warum Sie nach etwas suchen. Wenn Sie sagen, dass Sie eine Lügenfabrik haben wollen, dann wird die Lügenfabrik eine Lügenfabrik fabrizieren. Wenn Sie sagen, dass Sie auf eine emotionelle Ladung erpicht sind, dann werden Sie jede emotionelle Ladung an der Entladung hindern. Schätzen Sie ganz einfach im Stillen die Situation ab, reduzieren Sie alles, was stichhal­tig erscheint, und versuchen Sie weiterhin, den Grund zu finden, warum der Fall nicht so gut läuft, wie er könnte.

Der Test für die Echtheit eines Engramms ergibt sich nicht aus der Story. Die Story ist wertlos. Engramme sind einfach Ansammlungen von Äusserungen, die in Zeitabschnitten von »Bewusstlosigkeit« enthalten sind. Es hat überhaupt keine Bedeutung, ob diese Äusse­rungen mit den Auffassungen des Auditors darüber, wie man sein Leben führen sollte, übereinstimmen oder ob sie der Art, wie ein Preclear zu seinen Eltern aufblicken sollte, entsprechen. Anhand einer Story schreiben Schriftsteller eine Geschichte, einen Roman. Auditoren haben damit nichts zu tun. Ein Engramm ist grundsätz­lich unlogisch und irrational. Versuchen Sie daher nie, Vernünftig­keit in eines hineinzulegen! Wenn die Eltern als ehrenhafte und re­spektable Mitglieder der Gesellschaft bekannt waren und die En­gramme anzudeuten scheinen, dass Mama nachts die Prostituierte spielte, dann akzeptieren Sie die Engramme.

Die Echtheit eines Engramms lässt sich sehr leicht testen. Stel­len Sie sich folgende Fragen:

1. Hat es ein Somatik?

2. Wechselt die Intensität des Somatiks beim Durchlaufen des Engramms?

3. Lässt es sich reduzieren? (Wenn nicht, dann ist der Inhalt falsch, den der Preclear durchläuft, oder es gibt frühere En­gramme auf der Kette.)

4. Stimmt der Engramminhalt mit der Aberration des Patien­ten überein?

5. Passt das Somatik zu psychosomatischen Leiden, von denen bekannt ist, dass der Patient sie hatte?

6. Bringt das Durchlaufen des Engramms dem Patienten Er­leichterung? Und dieser letzte Punkt ist wichtiger als alle übrigen.

Wenn Seelenheiler der Vergangenheit grossspurig sagten: »Das entspricht nicht meiner Vorstellung vom Leben«, so ist das für den Auditor kein Grund, die dianetische Therapie entgleisen zu lassen. Die Seelenheiler von gestern erzielten keine Ergebnisse. Die Dianetik erzielt Ergebnisse; und einer der wichtigsten Gründe dafür ist, dass sie nicht versucht, das Leben so zu verdrehen, dass es in die Dianetik passt, sondern dass die Dianetik sich auf das Leben ausrich­tet. Dem Auditor werden viele neue und verblüffende Dinge zu Ge­sicht kommen. Sein Motto könnte wie der Text eines altenglischen Wappens lauten, das einen dreissig Meter hohen Raben zeigt, der auf einer Burg steht: »Wundere dich über gar nichts!«

Der Kinsey-Report ist nichts gegen das, was Sie als Auditor in der Dianetik zu hören bekommen werden. Dass Mutters wahres Ge­sicht, wenn sie allein ist, nicht das ist, das sie ihrem Kind zeigte, noch jenes, das sie der Gesellschaft präsentierte, und dass Vater und Mutter, wenn sie nicht beobachtet werden, sich anders verhalten, als die Gesellschaft es von ihnen erwartet, ist kein ausreichender Grund, einen Preclear zu zwingen, aberriert zu bleiben.

In psychiatrischen Werken treffen wir ständig auf Patienten, die den Psychiatern von vorgeburtlichem Leben zu erzählen versuch­ten und denen mit komischer Feierlichkeit geantwortet wurde, dass diese Geschehnisse Einbildung seien. Patienten, die von allen beste­henden Schulen völlig aufgegeben worden waren, da ihre Daten nicht in die Vorstellungen dieser Schulen passten, wurden durch die Dianetik vollständig wiederhergestellt und erreichten eine optimale Geistesverfassung, die die ihrer früheren Berater weit übertraf— und das lag zum Teil daran, dass sich die Dianetik nicht über die Tatsa­chen des Lebens hinwegsetzt. Der Auditor verlangt nicht nur, dass der Patient der Wirklichkeit ins Auge sieht, indem er seine En­gramme durchläuft, sondern er verlangt auch von sich selbst, der Wirklichkeit ins Auge zu sehen, indem er die Tatsache akzeptiert, dass jeglicher Engramminhalt, sofern er irgendeinem der obigen Kri­terien genügt, in der Therapie Gültigkeit hat.

Auditieren bedeutet zuhören; es bedeutet auch Berechnungen anstellen. Berechnungen über einen Fall anzustellen besteht darin, festzustellen, wo der Patient in seiner Lebensführung von der opti­malen Vernunft abweicht – aber was noch wichtiger ist, welche En­gramme mit körperlichem Schmerz und schmerzlicher Emotion es gibt und wie man sie angehen und reduzieren kann.

Patienten entdecken in der Therapie so manche erstaunliche Dinge über ihre Eltern und Verwandten. Oft entdecken sie auch – wie jener Patient, der immer geglaubt hatte, täglich von seinem Va­ter geschlagen worden zu sein –, dass das Leben eigentlich viel besser verlaufen war, als es den Anschein hatte.

Fälle von vorehelicher Empfängnis kommen sehr häufig vor; der noch ungeborene Patient entdeckt sich dann auf der Hochzeit seiner Eltern. Solche Fälle sind oft sehr schwierig zu lösen, da die Engramme dieser Patienten soviel Geheimnistuerei enthalten.

Die Lügenfabrikmechanismen werden oft versuchen, der Mut­ter andere Liebhaber anzudichten und den Vater zu einem rasenden Untier zu machen. Eine Lügenfabrik ist jedoch leicht zu entdecken: die vorgebrachten Geschehnisse lassen sich nicht wie Engramme durchlaufen; durchläuft sie der Patient zum zweiten Mal, zeigt sich ihr Inhalt stark verändert; es treten keine Somatiken auf, und ihr Inhalt ist nicht aberrierend.

Kurz – die Frage lautet, ob man es mit einem tatsächlichen Engramm zu tun hat oder nicht, und nicht, ob das Engramm einen Sinn macht. Denn der Vater könnte durchaus ein rasendes Untier im Schlafzimmer gewesen sein, und die Mutter könnte durchaus mit den Untermietern geschlafen haben; ebenso könnte der Vater brav wie ein Lamm gewesen sein, im Gegensatz zu dem schlechten Ruf, für den die Mutter nach der Geburt sorgte, und die Mutter könnte ohne weiteres frigide und prüde gewesen sein, trotz der wilden Geschich­ten, die der Preclear gehört haben mag. Die Wahrheit wird sich bei der Reduzierung zeigen; doch interessiert den Auditor diese Wahr­heit nur insoweit, als sie mit dem Heraufholen von Engrammen zu­sammenhängt.

Immer kommt es in erster Linie darauf an, Engramme zu fassen – frühest mögliche, was Schmerzen betrifft; spätere, was Emotionen anbelangt. Finden Sie sie, löschen Sie sie aus, entladen Sie sie, besei­tigen Sie sie. Dass sie sich nicht als echte Daten in Berechnungen gebrauchen liessen, das machte den Aberrierten aberriert. Überlas­sen Sie die Storys den Schriftstellern – unsere Aufgabe ist die The­rapie. Akzeptieren Sie aber keinen »Müll«; fragen Sie nach dem Somatik, und sehen Sie, ob es sich verändert, während der Preclear den Wortinhalt äussert. Suchen Sie nach wirklichen Engrammen. Und kümmern Sie sich nicht um die Story.